Future Workforce Planning und 12 beliebte Stolpersteine

Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Sind die Personal-Verantwortlichen darauf gut vorbereitet? Ein Kommentar von Sascha Rauschenberger.

Erfolge spornen Menschen an, mehr zu leisten. Das hat physiologische Gründe, da Erfolg Freude macht und dadurch Glückshormone ausschüttet. Bei Misserfolgen findet das natürlich nicht statt. Doch aus Misserfolgen lernen wir oft mehr als aus Erfolgen, denn wer denkt schon im Glücksrausch wirklich nach, warum man Erfolg hatte und wann einfach nur Glück im Spiel war. Eine Future Workforce aber auf Glück aufzubauen, an Wiederholung zu glauben und das Beste zu hoffen ist eher etwas für Theologen. Und nicht wirklich für das strategische Management geeignet…

Hier die häufigsten Kardinalfehler bei der Future Workforce Planning:

Zu spät anfangen

Jede Änderung braucht Zeit. Änderungen der Organisations- und Arbeitsmodelle benötigt erfahrungsgemäß wesentlich mehr Zeit als eine Powerpoint-Präsentation noch so optimistisch vorgaukelt.

Powerpoint-Vision vs. Realität

Powerpoint ist herrlich. Man kann damit multimedial alles und jedes so darstellen, dass rosarote Wolken glaubhaft werden. Gewisse Künstler können das dann als Realität verkaufen. Erfahrungsgemäß weicht eben diese lästige Realität dann real in entscheidenden Punkten von der Vision ab. Eigentlich immer! Vor allem in der IT.

Beraterauswahl

Future Workforce Planning ist ein interdisziplinäres Projekt und beinhaltet im DACH-Raum den demographischen Wandel, sowie die ehemaligen Megatrends Future Work und Digitalisierung. Und es ist ein richtiges Projekt und setzt PM-Fähigkeiten voraus, auch aus und in der IT. Berater und „Vordenker“, die sich auf reine Visionen spezialisieren, haben in aller Regel kaum Zeit, das gedachte auch umzusetzen, denn ihr Visions(kern)geschäft hat Vorrang…

Betriebsrat und Belegschaft ausklammern

Viele Daten, die allein schon die Projektplanung benötigt, sind von Betriebsvereinbarungen abhängig. Doch viel gravierender ist die Tatsache, dass es ohne die Mitarbeiter und ihr Know-how nicht gehen kann. Spätestens hier enden alle Visionen ohne Mitarbeiterbeteiligung. Das ist ein iterativer vertrauensbildender Prozess. Und der braucht Zeit.

Corporate Identity vernachlässigen

Die CI wird das tragende Element dessen sein, was eine Workforce extrem beeinflussen kann; besonders, wenn der Faktor Arbeit knapp wird. Hohe Fluktuation wird immer mehr zur Kostenfalle. Nachbesetzungen überhaupt langwieriger und schwerer. Gerade auch im demographischen Wandel und zunehmend unterqualifizierten Mitarbeitern jüngerer Jahrgänge. Mitarbeiterzufriedenheit wird zum Kostenfaktor, der auch nach außen getragen wird und mitunter das Recruiting schwerer macht. Selbst der Umsatz kann dadurch sinken. Dass hierbei die Social Media insgesamt eine tragende Rolle spielen, ist selbstverständlich. Employer Brnding ist hier das Key-Word.

IT-Sicherheit vergessen

Gerne reden wir über Future Workspaces, Future Management, Future Work und Future Economy. Gern im Rahmen der Digitalisierung oder als Lösung in der Pandemie. Doch all das hängt von einem einzigen Bestandteil entscheidend ab: der IT-Sicherheit! Das neue IT-Sicherheitsgesetz lässt da wenig Spielraum für Fehler. Und webbasierende und APP-gesteuerte Lösungen sind alles andere als sicher und beinhalten enorme Risiken. In Coronazeiten fiel es auf: Homeoffice ist nice and sexy, hängt aber an sicheren Bandbreiten im Netz. Und diese Bandbreiten waren in Deutschland oft nicht existent. Das Netzt musste gedrosselt werden. Allein hier werden (momentane) Grenzen der Machbarkeit diverser Visionen sicht- und leider auch erlebbar! Und in einer Cloud zu arbeiten beweist nicht, dass der Server der Cloud im freien Raum schwebt, wie unlängst der Serverbrand bei einem Cloudanbieter in Frankreich gezeigt hat, der Millionen von Kunden (und ihre Daten) betraft. Die IT ist der Treiber von Future und New Work. Sie schafft Möglichkeiten, Potentiale und Sicherheiten; aber auch Risiken und Gefahren. Über letztere spricht kaum jemand, weil das unsexy und old style ist.

Demographie

Diese ist ein wesentlicher Bestandteil der zukünftigen Lösung, die in der Future Workforce zum Ausdruck kommt. Die Demographie endet nicht am Zaun – sie fängt da erst an.

Generationskonflikte auslösen

Eine Future Workforce besteht aus DREI (3) Generationen: X (überwiegend), Y (großer Teil) und Z (am wenigsten). Ein Bestreben, sich auf eine davon zu konzentrieren, wäre fatal. Es wird Konflikte geben. Und das nicht zu knapp. Auch gesellschaftlich. Und diese werden dann in die Unternehmen gelangen. Auch das wird ein wesentlicher Bestandteil dessen sein, was eine Future Workforce Planning ausmachen wird: die Kommunikationspolitik im Projekt selbst. Auch hiervon lassen Visionäre gerne die Finger…

Internationalisierung vergessen

Gern reden wir über Globalisierung, vergessen sie aber in unseren (Denk-)Prozessen. Wir werden ausländische Arbeitskräfte brauchen, um unsere Workforces gestalten zu können. Daher müssen auch Personalprozesse internationalisiert werden; ähnlich den Vertriebsprozessen.

Auf Migration als Lösung setzen

Migranten kommen überwiegend von allein und in unvorhersehbaren Schüben, die geopolitische Ursachen haben. Und alles, was von allein kommt ist in aller Regel für hochspezialisierte Berufe, fachliche Nischen und als Engpassressource ungeeignet. Die Digitalisierung wird unsere gesamte Wirtschaftslandschaft auf ein neues Niveau heben, das wir selbst erst erreichen müssen. Die Berufs- und Sprach-Qualifizierung ist entscheidend. Doch selbst das Handwerk hat hier schon jetzt erkennbare Schwierigkeiten. Und akademische Abschlüsse werden auch nicht flächendeckend anerkannt. Nicht jeder ist Ingenieur, nur weil er es sagt oder als solcher eingesetzt war, wie das Beispiel der Brandschutzplanung am Berliner Flughafen zeigt. Universitätsabschlüsse sind gerade in MINT-Bereichen länderübergreifend recht unterschiedlich zu bewerten.

Die Workforce lebt nicht nur im Unternehmen

Sie verbringt grundsätzlich den größten Teil ausserhalb des Unternehmens. Und hier muss sie sich in der Gesellschaft des Standortes einleben können. Dazu braucht es z.B. bezahlbaren Wohnraum, Infrastruktur und auch – in Migrantenfall – eine „Willkommenskultur“. Das alles ist nicht überall der Fall und/oder gegeben.

Ganzheitlichkeit ignorieren

Gerne wird vergessen, dass hier viele Themen zusammenhängen, geclustert sind und auch nur ganzheitlich gelöst werden können. Nicht umsonst wurde der Joint Future Work -Ansatz als Vision entwickelt und daraus Strategien und Konzepte für das HRM und das Unternehmen an sich abgeleitet. Der demographische Wandel geht einher mit der Digitalisierung und neuen Arbeitswelten. Und das in Symbiose mit einem zweiten Komplex von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Die Future Workforce Planning wird dabei in der Schnittstelle Gesellschaft und Wirtschaft ausgestaltet, aber durch die Politk beeinflusst.

Fazit

Future Workforce Planning ist eine hochkomplexe Planung mit vielen Variablen, Unwägbarkeiten und Risiken, wenn sie sich des demographischen Wandels und der parallel ablaufenden Digitalisierung annehmen MUSS; nicht will!

Dem HRM kommt hierbei eine gestaltende Aufgabe zu, die zusammen mit den anderen Playern des C-Levels gestaltet werden will. Natürlich mit dem Betriebsrat, ohne den schon das Vorprojekt scheitert.

Future Workforce Planning hat auf Individualebene eine vertrauensbildende Aufgabe, denn das Vertrauen einer seit fast 30 Jahren personaltechnisch daueroptimierten Belegschaft will erst einmal wieder zurückgewonnen sein. Doch ohne das Zutun gerade der älteren Mitarbeiter wird die Digitalisierung nur schwer (also wesentlich teurer) umsetzbar sein.

Der ganzheitliche Ansatz, iterativ und sukzessiv so umgesetzt, dass er auf die individuellen Voraussetzungen des Unternehmens (auch des Standorts) Rücksicht nimmt, ist aus prozessualer Sicht der einzig dauerhaft erfolgversprechende Ansatz, um eine Future Workforce wirklich zukunftssicher zu gestalten.

Sascha Rauschenberger, geboren 1966 in Wattenscheid, ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, wo er als Panzeraufklärer und Nachrichtenoffizier Dienst tat. Er diente, unter anderem als Reservist, in vier Auslandseinsätzen, zuletzt als Militärberater in Afghanistan.

Seit 2000 ist er als Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement und Arbeitsorganisation (Future Work) tätig.