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Einkommen und Armut – Bayern im Vergleich
Bayern ist gern Primus. Eine neue IW-Studie zeigt: in keinem anderen Bundesland ist die Arbeitslosigkeit geringer als in Bayern, und auch die Sorgen um die soziale Ungleichheit in Deutschland fallen unter den bayerischen Bundesbürgern niedriger aus als in anderen Regionen.
Eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. zeigt, dass die Ergebnisse bezüglich Armut und Ungleichheit ein gegenüber anderen deutschen Regionen auffällig positives Bild ergeben. Die wesentlichen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. In Bayern sind die Markteinkommen gemessen am Gini-Koeffizienten unter den betrachteten Regionen in Deutschland am gleichmäßigsten verteilt. Daher reicht weniger Umverteilung, um eine vergleichsweise niedrige Ungleichheit der verfügbaren Einkommen zu erreichen. Zudem zeigt sich seit dem Jahr 2003 eine tendenziell rückläufige Entwicklung im Niveau der Markteinkommensungleichheit, die sich im bundesdeutschen Durchschnitt weniger klar abzeichnet.
2. Auch die verfügbaren Einkommen sind in Bayern gleichmäßiger verteilt als im Bundesdurchschnitt und die Verteilung der verfügbaren Einkommen erweist sich seit dem Jahr 2005 auf einem etwas geringen Niveau als äußerst stabil. Subjektive Einschätzungen zeigen, dass sich in Bayern weniger Bürger große Sorgen um die Ungleichheit in Deutschland machen, und auch die Präferenzen für Umverteilung sind weniger ausgeprägt.
3. Im Vergleich aller Länder der Bundesrepublik Deutschland weist Bayern die geringste Armutsgefährdungsquote gemessen am Bundesmedianeinkommen auf. Nachdem das Armutsrisiko zwischen 2005 und 2019 stabil bei rund 12 Prozent lag, zeigt sich im Jahr 2022 im Mikrozensus ein leicht erhöhtes Niveau mit 12,7 Prozent. Durch erhebliche methodische Umstellungen im Mikrozensus im Jahr 2020 ist jedoch nicht klar, inwieweit das höhere Niveau methodisch oder realwirtschaftlich bedingt ist. Im Bundesdurchschnitt lag die Quote 2022 bei rund 17 Prozent. Auch bei einer Referenz zum Landesmedianeinkommen bleibt die Armutsgefährdungsquote im Vergleich zu den anderen westdeutschen Ländern der Bundesrepublik unterdurchschnittlich.
4. Ebenso stabil stellt sich die Armutslücke in Bayern dar, die seit der Wiedervereinigung um einen Wert in Höhe von 20 Prozent schwankt, während sie im Bundesdurchschnitt langfristig gestiegen ist und zuletzt einen Wert von 24 Prozent erreicht hat.
5. Das höchste gruppenspezifische Einkommensarmutsrisiko geht weiterhin von einer Erwerbslosigkeit aus, sodass ein hohes Beschäftigungsniveau und eine Vollzeiterwerbstätigkeit den besten Schutz gegen Einkommensarmut darstellen. Aber auch Alleinerziehende, Menschen mit einem Migrationshintergrund und Mehrkindfamilien haben – wie im bundesdeutschen Vergleich ebenso – ein merklich erhöhtes Armutsrisiko. Gegenüber dem Bundesdurchschnitt ist in Bayern das Kinderarmutsrisiko deutlich geringer, dafür das Armutsrisiko der Gruppe der Rentnerinnen und Rentner etwas höher.
6. Gleichzeitig zeigt der Blick auf Mindestsicherungsquoten sowie Kennziffern zur materiellen Entbehrung, dass nur ein geringer Anteil der Bevölkerung in Bayern und Deutschland unter einem erheblichen Mangel des materiell Notwendigsten leidet. Die Gefahr des materiellen Mangels ist in allen Teilhabedimensionen in den Jahren vor Ausbruch der Coronapandemie zurückgegangen. Auch im Pandemiejahr 2021 zeigte sich in vielen Dimensionen ein weiterer Rückgang. Während in Deutschland im Jahr 2021 knapp 15 Prozent der Bevölkerung keine Möglichkeit hatte, auf finanzielle Rücklagen für Notfälle zurückzugreifen, lag dieser Anteil in Bayern nur bei rund 11 Prozent.
7. Zur bayerischen Mittelschicht (im engen Sinn) zählten nach IW-Definition im Jahr 2019 knapp 52 Prozent der Bevölkerung – und damit ebenso viele Menschen wie im Jahr 2005. Die Mittelschicht in Bayern erweist sich somit als robust. Gegenüber eines Umfangs von rund 49 Prozent im Bundesdurchschnitt war die Mittelschicht in Bayern somit zuletzt etwas stärker besetzt als im gesamtdeutschen Vergleich.
8. Auch in Bayern tendiert ein großer Teil der Bevölkerung dazu, sich selbst in der Mittelschicht zu verorten und zeigt eine entsprechend positive Wahrnehmung der eigenen wirtschaftlichen Situation. Gleichzeitig sortiert sich ein größerer Anteil der Bayern in die obere Mittelschicht und ein kleinerer Anteil in die unteren Schichten, als dies im Bundesdurchschnitt der Fall ist. Dies deutet an, dass das höhere Wohlstandsniveau in Bayern durchaus zur Kenntnis genommen wird und zu einer positiveren Selbsteinschätzung führt.
Aufgrund von Zeitreihenbrüchen und Verzögerungen in der Datenbereitstellung lassen sich noch keine finalen Aussagen zum Einfluss der Coronapandemie und der Energiepreiskrise auf die Verteilungssituation treffen. Simulationsstudien und bereits beobachtbare Kennziffern zur Armuts- und Ungleichheitssituation im Jahr 2021 deuten jedoch darauf hin, dass sich die relativen Verteilungskennziffern im Zuge der Coronapandemie nicht wesentlich verändert haben. Die Erstergebnisse des Mikrozensus für das Jahr 2022 weisen zudem auf einen leichten Rückgang der Armutsgefährdungsquote gegenüber dem Jahr 2021 hin. Das Armutsgefährdungsrisiko in Bayern ist darüber hinaus auch im Jahr 2022 weiterhin deutlich unterdurchschnittlich gegenüber den übrigen Ländern der Bundesrepublik.
Eine möglicherweise heterogene Betroffenheit durch die hohen (Energie-)Preissteigerungen spiegelt sich in konventionellen Armuts- und Ungleichheitsstatistiken nicht wider. Kennziffern zu materiellen und sozialen Entbehrungen stellen daher eine wichtige Ergänzung zur relativen Einkommensarmut dar, da sich in diesen Messzahlen niederschlagen wird, ob die Teilhabemöglichkeiten bestimmter Gruppen durch die vergangenen Krisen eingeschränkt wurden – oder ob die umfangreiche Unterstützung durch die Entlastungspakete insbesondere die Belastungen im unteren Einkommensbereich effektiv auffangen konnte.
DNEWS24 stellt die IW-Studie bereit zum Download: IW-Studie-Faktencheck-Verteilung-Bayern_DNEWS24.