Ein Garten im Raureifglanz

Wundervolle Spätherbsttage mit glitzerndem Raureif am Morgen sind selten. Es lohnt sich, früh aufzustehen und auf einem Rundgang im Freien das funkelnde Schauspiel zu genießen. Ein Garten in Niederbayern lädt dazu ein.

Immergrünes belebt triste Wintertage

Der Garten von Familie Winklmaier hält für die Inszenierung einen ­würdigen Rahmen bereit. Hier hat der Reif vielfältige Strukturen und Pflanzenteile, auf denen er seine Bilder malen kann. Immergrüne Blätter und Nadeln, kahle Zweige und solche, an denen noch unbeugsames Laub haftet, Gräserhorste, Hagebutten, eingetrocknete Hortensienblüten und wetterfeste Gartenaccessoires lassen sich bereitwillig von den Reifkristallen überzuckern. Der 5000 m² große Garten wurde von Martha Winklmaier und ihrem verstorbenen Mann Georg im Laufe vieler Jahre Stück für Stück angelegt. Ein Schwerpunkt in der Pflanzung sind die Rhododendren. Die Gehölze wurden zwar vorrangig wegen der Blüte gepflanzt, aber ihre immergrünen Blätter haben im Winter großen Zierwert.

Reif lässt alles glänzen

In der Theorie sind Reif und Raureif kristalline Beläge, die sich bilden, wenn Wasserdampf oder Nebel zu Eis gefrieren und sich an Gegen­ständen oder Pflanzen ablagern. Im Garten und in der Natur ist der Reif ein Künstler, der die blasse Winterlandschaft in eine märchenhafte Zauberwelt verwandelt. Seine Ablagerungen funkeln wie Diamanten an Blättern und Zweigen, an Halmen und den letzten Blüten und Früchten des Jahres. Seinen glanzvollen Auftritt hat der Reif meist im Spätherbst oder an den ersten Wintertagen. Oft währt er nur einen kurzen Augenblick, und ein echter Glücksfall liegt vor, wenn man diesen Moment mit der Kamera einfangen kann. Das Schauspiel lässt sich am besten am frühen Morgen bewundern, so lange bis die Sonnenstrahlen stärker ­werden und die Kristalle zum Schmelzen bringen.

Gartenaccessoires für den Winter

Im Winter zeigt sich, ob die baulichen Elemente des Gartens nicht nur praktische Zwecke erfüllen, sondern auch ganzjährig gestalterischen Wert haben. Das Gartenhäuschen mit dem dekorativen Anstrich in Taubenblau und Weiß passt perfekt in die eisige ­Winterlandschaft. Eine alte Straßenlaterne bringt stimmungsvolles Licht und wird zum Blickfang, wenn sich die Vegetation zurückzieht. Formschöne Pflanzenstützen und Beetstecker aus Metall kommen jetzt besonders zur Geltung.

Warten auf den Frühling

In der kalten Jahreszeit legt der Garten nach und nach seine Grundstruktur frei. Herzstück der Anlage ist ein Teich, der von Staudenbeeten und besonderen Gehölzen umgeben ist. Ein Holzsteg überspannt die Wasserfläche, auf der sich langsam eine Eisschicht bildet. Die Uferbepflanzung aus Gräsern und Stauden erscheint im Frost erstarrt, ist aber nach wie vor stabil genug, um Reifkristallen oder Schneehäubchen Halt zu geben. Mit der Zeit werden Halme, Stängel und Blätter immer weiter absterben. Die Pflanzensäfte haben sich bereits in die unterirdischen Speicherorgane zurückgezogen, wo sie einige Wochen ruhen werden. So lange, bis der Frühling seinen Startschuss gibt und der Garten sich wieder mit Leben füllen darf.


Text: Martina Meidinger; Bilder: Evi Pezler. Quelle: Weck-Verlag