DVD-Tipp: Peter Lindbergh

Der Dokumentarfilm PETER LINDBERGH – WOMEN’S STORIES von Jean Michel Vecchiet zeigt die außergewöhnliche Geschichte eines Mannes, der zu den größten Fotografen des 20. Jahrhunderts zählt. Neben außergewöhnlichen Einblicken in seine tägliche Arbeit erzählt der Film eine sehr persönliche und emotionale Lebensgeschichte, die grundlegende Fragen aufwirft: Wie und warum wird man zum Künstler? Woher kommt diese kreative Kraft, die jeder Logik trotzt und sich der Analyse widersetzt?

In Lissa (Deutschland) 1944 geboren, verbrachte Peter Lindbergh seine Kindheit in Düsseldorf. Er arbeitete als Schaufensterdekorateur für ein lokales Kaufhaus und schrieb sich in den frühen 1960er Jahren an der Akademie der Künste in Berlin ein: „Ich habe es vorgezogen nach Inspirationen von van Gogh, meinem Idol, zu suchen, anstatt die obligatorischen Portraits und Landschaften zu zeichnen, die an der Kunsthochschule gelehrt wurden…“

Nachdem Peter Lindbergh 1971 nach Düsseldorf zog, konzentrierte er sich auf die Fotografie und assistierte zwei Jahre dem deutschen Fotografen Hans Lux, bevor er 1973 sein eigenes Studio eröffnete. Er wurde in seinem Heimatland bekannt und trat zusammen mit den Foto-Legenden Helmut Newton, Guy Bourdin und Hans Feuer der ‚Stern-Magazin-Familie‘ bei. 1978 zog er nach Paris, um seine Karriere zu verfolgen.

Er gilt als Pionier in der Fotografie und führte eine Form des neuen Realismus ein, indem er die Maßstäbe der Schönheit mit zeitlosen Bildern neu definierte. Sein humanistischer Ansatz und seine Idealisierung der Frau – wobei er das Augenmerk besonders auf die Seele und die Persönlichkeit legt – heben ihn von den anderen Fotografen ab. In Zeiten übertriebener Retuschen hat er so die Maßstäbe der Modefotografie drastisch verändert, denn für ihn gibt es etwas, das einen Menschen über sein Alter hinaus interessant macht. Er  erklärt: „Es sollte in der Verantwortung der Fotografen liegen, Frauen und schließlich alle vom Schrecken der Jugend und der Perfektion zu befreien.“ Seine einzigartige Vision zeigt Frauen in ihrer Natürlichkeit, mit wenige Make-up, „in aller Ehrlichkeit“, und vermeidet alle Stereotypen. Diese Reinheit verstärkt die Authentizität und die natürliche Schönheit seiner Frauen. Er ermöglichte eine neue Art der Interpretation von Frauen in den 1980er Jahren, ohne dabei der Kleidung zu viel Aufmerksamkeit zu schenken: „Wenn Sie die Mode und den Kunstgriff herausnehmen, können Sie die eigentliche Person sehen.“ Die britische Journalistin Suzy Menkes weist darauf hin: „Die Verweigerung der aalglatten Perfektion ist Peter Lindberghs Markenzeichen – die Essenz der Bilder, die in die ungeschminkte Seele einer jeden Person sieht, egal wie vertraut oder bekannt das Modell ist.“

Im Jahr 1988 erlangte Lindbergh internationale Anerkennung, als er eine neue Generation von Models zeigte, alle gekleidet in weißen Hemden, die er kürzlich entdeckt hatte und deren Karrieren er lancierte. Ein Jahr später wurden Linda Evangelista, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Christy Turlington und Tatjana Patitz zum ersten Mal gemeinsam von ihm für das legendäre Cover der britischen Vogue fotografiert.

Lindberghs Arbeiten sind für seine einfachen und aussagekräftigen Porträts, seine Stillleben und die starken Einflüsse aus dem frühen deutschen Kino und industriellen Umfeld seiner Kindheit, für Tanz und Kabarett, aber auch für Landschaften bekannt. Lindbergh arbeitet seit den späten 70er Jahren mit renommierten Modemarken und -magazinen zusammen – darunter die internationalen Ausgaben von Vogue, The New Yorker, Rolling Stone, Vanity Fair, Harper‘s Bazaar US, dem Wall Street Journal, The Face, Visionaire, Interview und W. 2016 wurde Lindbergh zum dritten Mal mit der Erstellung des Pirelli-Kalenders für das Jahr 2017 beauftragt. Er ist somit der erste Fotograf, der in der fünfzigjährigen Geschichte des Kalenders, mehr als zweimal für die Fotos verantwortlich war. Zuvor fotografierte er die Ausgaben von 1996 und 2002.

Lindbergh führte Regie bei mehreren von Kritikern hochgelobten Filmen und Dokumentationen: MODELS: THE FILM (1991); INNER VOICES (1999), die 2000 beim Toronto International Film Festival (TIFF) mit dem Preis für die beste Dokumentation ausgezeichnet wurde; PINA BAUSCH, DER FENSTERPUTZER (2001) und EVERYWHERE AT ONCE (2007), die von Jeanne Moreau erzählt und auf den Filmfestivals von Cannes und Tribeca präsentiert wurde.