Donald Trump isch over – ein bisschen
Vier Jahre MAGA – make America great again – sind vorbei. 74 Millionen Amerikaner haben den Wüterich im Weißen Haus gewählt. Was bleibt?
Man mag es nach dem Wirbel um die Ereignisse des 6. Januar 2021 – der gewaltsamen Erstürmung des Parlaments-Gebäudes in Washington – kaum glauben. Aber nicht nur haben im November 2020 74 Millionen US-Bürger Donald Trump gewählt – er hätte ziemlich sicher gesiegt und wäre wiedergewählt worden, wenn die Corona-Krise nicht gekommen wäre.
Repräsentative vs direkte Demokratie
Donald Trump begann die Rede zu seiner Inauguration 2017 mit den Worten „We the People“. Das sind übrigens auch die ersten Worte der US-Verfassung. Bei Trump hatten sie die Bedeutung des Kampfes der einfachen Menschen gegen das politische Establishment – nicht nur generell, nicht nur das Establishment der Demokraten war gemeint, sondern auch die Bonzen-Kaste der Partei, für die er angetreten war, der Republikaner.
Immer wieder hat sich Trump unorthodox verhalten und geäußert. Unrühmlicher Höhe- und (wahrscheinlich) End-Punkt war seine Rede am 6. Januar 2021, in der er sagte, er würde an der Spitze eines Demonstrations-Zuges die Pennsylvania Avenue zum Capitol Hill laufen, um den „müden“ Abgeordneten dort zu helfen, die richtige Entscheidung bei der formellen Bestätigung der Wahlergebnisse der einzelnen Bundesstaaten zu treffen. Also das Wahlergebnis zu Gunsten seines Kontrahenten Joe Biden nicht zu ratifizieren. Nun, er ist nicht zum Capitol Hill gelaufen, sondern in das Weisse Haus gefahren (worden) um dort am TV-Bildschirm zu erleben, wie Tausende entfesselte und gewaltbereite Demonstranten in das Parlaments-Gebäude eindrangen, um das Ergebnis einer Wahl und die Entscheidung der gewählten Abgeordneten durch direkte und persönliche Gewalt zu verhindern.
Dieser Versuch des Tausches einer repräsentativen Demokratie durch eine durch die Verfassung nicht legitimierte Form der direkten Demokratie ist unerhört und nicht zu tolerieren. Damit haben Trump und seine Anhänger eine rote Linie überschritten und dargelegt, dass ihnen für den Erhalt der Macht auch alle Mittel recht sind.
Donald Trump war der personifizierte Verfassungs-Konflikt
„Die Zentralisierung von Vollmachten allein in der Person des Präsidenten ist besonders entscheidend in Angelegenheiten nationaler Verteidigung, des Krieges und der Außenpolitik, bei denen eine einheitliche Exekutive mit weit größerer Geschwindigkeit und Energie als jeder andere staatliche Zweig Bedrohungen bewerten, politische Reaktionen erwägen und nationale Ressourcen mobilisieren kann.“ so John Yoo, 2001 Jurist im amerikanischen Justizministerium
Diese „Unitary Executive Theory“ wurde ursprünglich vom früheren Vorsitzenden des Supreme Court der USA, Antonin Scalia, entwickelt. Sie sollte die präsidialen Befugnisse, die nach dem Watergate-Skandal und dem Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon vom Parlament systematisch beschnitten worden waren, wieder restaurieren. Der Präsident habe die Oberaufsicht über die gesamte ausführende Gewalt – also auch über traditionell unabhängige Institutionen wie die Justiz, die amerikanische Notenbank und die Börsenaufsicht. „Der Präsident hat nicht nur einige Vollmachten, sondern die Exekutivgewalt – die ganze.“ so der frühere Supreme-Court-Richter-Kandidat Samuel Alito im November 2000 in einer Rede vor der „Federalist Society“.
Die „Unitary Executive Theory“ wurde durch die Regierung von US-Präsident George W. Bush nach dem Anschlag von islamistischen Terroristen am 11. September 2001 umgesetzt. Sie wurde auch angewendet durch die Regierung von Barack Obama. Und sie wurde natürlich auch von Donald Trump genutzt, um die Ziele seiner Regierung unter Umgehung des Parlamentes durchzusetzen.
Big Techs werden zu unregulierten Medien für Fake News
Mehrmals in den letzten Monaten haben Soziale Medien, die Donald Trump so erfolgreich wie kein anderer Politiker vor ihm genutzt hat, seine Tweets und Posts kommentiert oder gar gelöscht. Ich halte es hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eingriffe in die freie Meinungsäußerung und Verbote der Redefreiheit sind nur denkbar und legitim durch staatliche Stellen und die Justiz. Das bedeutet, wenn ein rechtsstaatliches Verfahren das Ergebnis hat, dass Donald Trump die bürgerlichen Grundrechte entzogen werden, dann ist das legitim. Die Entscheidung, wer was sagen darf und wer was lesen oder hören darf, kann nicht in der Hand anonymer unternehmerischer Entscheidungsträger liegen. Wo sollte das auch hinführen? Insofern ist die Ära Trump auch zum Menetekel für die schöne neue Welt der Sozialen Medien geworden, die nun wohl am Scheitelpunkt ihrer Entwicklung und libertären Ansprüche gelangt sein dürften. Keine verfassungsbasierte, den Werten der westlich-freiheitlichen Welt verpflichtete Regierung darf sich den Machtansprüche der Big Techs aus dem kleinen Tal in Nord-Kalifornien beugen.
Übrigens sind „Fake News“ durchaus kein neues oder Trump-Phänomen. Joe McCarthy startete seinen kometenhaften Aufstieg in Washington D.C. als Junior-Senator des Staates Wisconsin mit der berüchtigten Lincoln Day Speech vor dem Republican Women’s Club in Wheeling, West Virginia am 9. Februar 1950. Dort behauptete er von 205 Kommunisten in verantwortlichen Positionen im US-Außenministerium zu wissen. Diese Behauptung war zum großen Teil unbelegt, markierte aber den Beginn des sogenannten McCarthyismus, der überwiegend völlig unbegründeten und hysterischen Kommunisten-Hatz zu Beginn der 1950er-Jahre im beginnenden Kalten Krieg.
Trumps Mauer und die Demografie in den USA
Fast alle US-Bürger haben einen Migrations-Hintergrund. Im Jahr 2019 haben sich geschätzt rund 13,43 Prozent der Einwohner in den USA als ‚Schwarze‘ bezeichnet. Gefragt nach ihrer ethnischen Herkunft gaben hochgerechnet rund 44 Millionen Amerikaner an, sich selbst als ‚Schwarze‘ zu identifizieren, während rund 9,1 Millionen Einwohner (2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung) sich zwei oder mehr ethnische Hintergründe zuschreiben. Die Statistik zeigt die Zugehörigkeit zu den Ethnien in den USA im Verlauf der Jahre 2016 bis 2019. Alle Angaben beruhen ausschließlich auf den Selbstzuschreibungen der Befragten.
Vor allem die nicht-weißen Bevölkerungsteile in den USA sorgen dafür, dass die amerikanische Gesellschaft relativ jung bleibt. Die hohe Fertilität vor allem der Hispanics führt allerdings auch zu einer wachsenden Angst weißer Bevölkerungs-Schichten, zur Diaspora zu werden. Daher war das Projekt von Donald Trump, im Süden der USA durch den Bau einer Mauer den ungehemmten Zufluss von Armuts-Migranten aus Mittelamerika zu stoppen, bei Teilen seiner Wähler so überaus populär.
Im Jahr 2019 waren rund 18,6 Prozent der Bevölkerung der USA zwischen 0 und 14 Jahre alt, rund 65,2 Prozent zwischen 15 und 64 Jahre und rund 16,2 Prozent 65 Jahre und älter. Die Statistik zeigt die Altersstruktur der USA von 2009 bis 2019.
Demografischer Wandel, Rente und Börse
Die Social Security Administration geht in ihren Projektionen davon aus, dass zukünftig entweder die Rentenbeiträge erhöht oder die Rentenleistungen gekürzt werden müssen., um die auf dem Umlageverfahren basierenden Rentenzahlungen zu gewährleisten. Ohne Anpassungen würden die Reserven des Trust Fonds 2035 (nach Berechnungen von 2020) aufgebraucht sein, weil sich die Baby-Boomer-Generation bis dahin zur Ruhe gesetzt hat und die Lebenserwartung der Amerikaner erheblich ansteigen wird.
Die private Altersvorsorge wird durch den 401(k) Plan organisiert, der sich von dem entsprechenden Paragraphen des „Internal Revenue Code“ ableitet. Das System, das dahinter steckt, ist simpel: der Arbeitgeber zieht Arbeitnehmern einen fixen Prozentsatz (vor Steuerabzug) vom Monatsgehalt ab, das dann in einen Investmentfonds angelegt wird. Oft ergänzt der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer erbrachten Spar-Leistungen. Wichtig ist in dem Zusammenahng, dass die US-Bürgern nicht in geringverzinslichen Anlage-Investments sondern in Fonds oder Aktien investieren. Insofern ist die Entwicklung der Börsenmärkte für jeden Arbeitnehmer und Rentner in den USA ganz praktisch wichtig – und oft wahlentscheidend.
Abschiedsrede Donald Trump
Joe Biden – der Hoffnungsträger (auch der Europäer)
Die Wähler von Donald Trump verschwinden heute mit der Inauguration des 46. US-Präsidenten nicht einfach. Sie sind da, enttäuscht, aufgewühlt, unversöhnlich.
Der neue Präsident wird viele Hoffnungen enttäuschen (müssen). Denn viele in ihn gesetzte Hoffnungen sind irrational. Die USA sind ein egonzentrischer Machtstaat und tun nichts, was ihnen nicht nützt. Und Joe Biden ist der oberste Repräsentant dieses Staates, dieser Gesellschaft, dieser Kultur.
Der Ton im atlantischen Dialog wird moderater werden. Die Inhalte, um die gestritten wird, werden bleiben.
Der Autor
Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.
Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.
Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“