Der Tag der Arbeit und die einstige Arbeitermacht – wirklich das Ende der Geschichte?

Der Tag der Arbeit war nicht immer Anlass für Besäufnisse und Randale. Ein Rückblick von Sascha Rauschenbergerger.

Der Tag der Arbeit, traditionell der 1. Mai, wurde nicht zufälligt ein Feiertag, den die Arbeiterschaft für sich haben wollte. Seit Jahrzehnten gefordert hatte und vom Bürgertum massiv bekämpft wurde, bis er dann am 01.Mai 1933 von der von den Nationalsozialisten geführten Reichsregierung zum Feiertag wurde. Als eine der ersten eingelösten Wahlversprechen der späteren NS-Diktatur an ihre Klientel: den deutschen Arbeiter.

Fast 100 Jahre dauerte der Kampf für dieses Privileg. Ein bezahlter Feiertag für die Werktätigen und Arbeiter. Auch ein Tag zum Gedenken derer, die Arbeiterrechte erkämpften. Mitunter auch ihr Leben ließen.

Die Arbeitermacht kam mit der Industrialisierung auf. Als hunderte, tausende meist ungelernte Menschen aus dem ländlichen Bevölkerungsüberschuss in die aufblühenden Industriezentren an Rhein und Ruhr migrierten. Die damals kleinen und unbedeutenden Städte entlang der Kohlevorkommen im Ruhrtal mit ihrer rasant wachsenden Stahlindustrie molochartig anwachsen ließen. Aber auch dem ständig wachsenden Bedarf nach immer neueren, billig hergestellten Massenprodukten bald neue Berufe ausbildeten. Dreher, Werkzeugmacher, Maschinisten und … Elektriker! Dass die damaligen Industriebarone, gestützt durch die Politik, in diesen Menschen bessere Arbeitssklaven sahen, war lange Zeit kein Geheimnis. Der Mensch im System der aufstrebenden Industrie war ein besserer dressierter Affe, der widerspruchslos zu tun hatte, was man ihm sagte. Und damit das so blieb und seine ständig steigende Zahl in den Industriezentren keine kommunale Bedeutung hatte, wurde das Drei-Klassen-Wahlrecht eingeführt. Die Anzahl der Stimmen für Wahlen richtete sich pro Wähler nach dem Steueraufkommen.

So waren die Werksbesitzer in den Stahl-, Kohle- und Chemiestandorten letztlich die, die Bürgermeister, Abgeordnete und Stadträte wählten. Ähnlich den Gilden im Mittelalter. Nur dass diese dem Großbürgertum angehörten. Dem neuen (Geld)Adel des damaligen Reiches und in der damaligen Welt.

Erstmals traten Arbeiter 1848/49 in den Ausstand, als nach katastrophalen Missernten Hunger herrschte und man die seit 1815, dem Ende des französischen Revolutionsgedankens, wieder recht absolutistisch herrschenden Kleinfürsten auf die Füße trat. Die Arbeiter in den angewachsenen Städten solidarisierten sich mit den Hungernden, bauten Barrikaden, kämpften in den Straßen gegen das ausgeschickte Militär und erfochten so die erste deutsche Nationalversammlung in Frankfurt am Main. Und diese stimmte für die Schaffung eines einigen deutschen Reiches und Führung eines Parlamentes mit einem gesamtdeutschen Kaiser an der Spitze.

Ein relativ unbekannter Landjunker beriet den damaligen preussischen König dahingehend, nicht Kaiser von „des Pöbels Gnaden“ zu werden. Gemeint waren die Arbeiter. Später war es dieser Mann, der das Deutsche Reich wirklich einte. Als eiserner Kanzler zur Blüte führte. Und als gnadenloser Gegner der Arbeiterbewegung und ihrer wachsenden Macht Sozialistengesetze schuf. Aber auch eine Sozialversicherung einführte. Als Balsam für die immer stärker werdenden Massen in den Ballungsgebieten. Otto von Bismarck war zum Ende seiner Regierung letztlich der Arbeiterschaft – der Arbeitermacht! – gegenüber umfänglich eingeknickt.

Wie das in den Betrieben und in der Gesellschaft aussah beschreibt recht anschaulich Heinrich Mann in seinem Buch „Der Untertan“, wo ein aufstrebender Dietrich Heßling letztlich überall und andauernd mit dem sozialistischen Betriebsrat paktieren musste. Trotz aller Großspurigkeit und verbaler Häme dem proletenhaften Arbeiter gegenüber…

Die Arbeiterschaft in den Werken und Betrieben schuf eine neue gesellschaftliche Klasse, die mit Stolz ihrer zum Teil völlig unzureichend entlohnten Arbeit nachging. Mit Geld, dass oft nur zum Wohnen in den Werkswohnungen und zum Kauf von Lebensmitteln in den Werksläden reichte. Aber in ihrem Geist waren es Menschen, die der leibeigenschaftsähnlichen Tyrannei der Großbauern und Landjunker entkommen waren, und nun Produkte schufen, wo der Name ihrer Unternehmen draufstand. Produkte, die ohne IHR(!) Zutun niemals entstanden wären. Blechgeschirr anstatt Holzschalen, Leinen anstatt Wolle und Gläser für jedermann. Durchaus auch in anderen und leuchtenden Farben, da diese damals noch patentierbar waren und die deutsche Chemie zum Weltmarktführer machten.

Die Beobachtungen, Analysen und Lehren von Karl Marx waren das politische Fundament der neuen Klasse. Das „Kommunistische Manifest“ das Gebet. Und die eigene Interessenvertretung, die spätere SPD, bald dann auch mit steigenden Abgeordnetenzahlen in den Parlamenten von Ländern und Reich repräsentiert. Der Kampf gegen die Proletarier war die erste globale Gemeinsamkeit aller Industriebarone in allen Ländern. Sie war das erste weltweite Regierungsprogramm an sich. Ohne dass es dafür einer koordinierenden Versammlung bedurft hätte. Die Arbeiter durften keine wirkliche Macht erhalten. Nirgendwo. Und niemals!

Doch insgeheim, still und heimlich, drangen sie in Bereiche vor, die man mit der Zigarre im Maul und dem fetten Hintern in Salons sitzend, gern gar nicht mehr wahrnahm, während man bei elektrischem Licht die gesinnungstreuen Gazetten las, während das oder die Hausmädchen mit Gas kochten… Denn überall, wo es „technisch“ wurde, war die Arbeiterschaft stark vertreten. Ohne sie gab es kein elektrisches Licht, denn sie schaufelten Kohle in die Kraftwerksöfen, deren Strom Haushalte und Industrie versorgten.

Selbst beim Militär wurde diese technische Klasse eingeführt. Gerade auch bei der aufstrebenden kaiserlichen Marine. Man tunlichst zwischen Matrosen und Heizer unterschied. Zwischen Ingenieuren, die für den Schiffsbetrieb zuständig waren und Offizieren, denen die Schiffsführung oblag. Ein fataler Fehler, der in Wilhelmshaven 1917/18 dann zur Meuterei führte. Es waren die Heizer, die mit den Parolen und Forderungen der Arbeiterschaft auf den Lippen auch die Matrosen zur Meuterei anstifteten. Wo tausende herumlungernde Schiffsbesatzungen auch in den Lokalen, Kneipen, Spelunken und Gasthäusern mit den Arbeitern an Land redeten. Und von dort breiteten sich dann gegen Ende des Krieges 1918 die Sozialunruhen aus. Bewaffnete Matrosenverbände wurden zum Sinnbild des Umsturzes hin zu einer Republik, die dann nach ihrer konstituierenden Sitzung in Weimar benannt wurde.

Dieses Drama ereignete sich damals auch unter den Auswirkungen einer Pandemie. Der sog. Spanischen Grippe, die aus den USA kommend sich 1917 über die Schlachtfelder verbreiten konnten. Spanien war damals das erste Land, das darüber berichtete, da alle anderen Länder dem Kriegsrecht unterstanden und kaum Interesse daran hatten, dass die Infektionsrate ihrer Feldarmee publik wurde. So starben weltweit bis zu 50 Millionen. Auch wieder Arbeiter, die in ihren prekären, beengten und oft unzureichenden Lebensverhältnissen in Armut vegetierten.

Schon vor dem Krieg hatte der Hamburger Robert Koch Hygiene und Seuchen in Zusammenhang gebracht und wegweisende Regelungen geschaffen. Nur reichten diese 1918/21 nicht. Auch unter diesem Aspekt war die zunehmende Radikalisierung der politischen Arbeitermacht in Weimar zu sehen. Wo Menschen kommentarlos auf offener Straße verreckten waren Gedanken zu liberalen Themen eher Nebensache. Es ging ums Überleben. Hier tobten dann auf linker Seite Arbeiter- und Soldatenräte während auf rechter Seite Freikorps ins Geschehen ausrückten. Beide genährt von ehemaligen kriegserfahrenen Frontkämpfern, die die Innenstädte zu Schlachtfeldern machten. Und wo sie nicht waren tobten Saalkämpfe und Massenschlägereien, die nicht unwesentlich vom „revolutionären“ Gedankengut der radikalen Linken zum Aufbau eines leninistisch-marxistischen Sowjetstaates getragen wurden, der in Russland selbst um seine Deutungshoheit kämpfte und Stalin hervorbrachte.

In Deutschland formierten sich die radikalen Kräfte an der rechten Seite des politisch linken Gesamtspektrums, in dem das Großbürgertum mit seinem Geld jonglierte, um Einfluss und Macht zu behalten. So wurde die NSDAP massiv gefördert, die mit ihrem nationalen Sozialismus die patriotischen Arbeiter für sich gewinnen und so klare Akzente zum linken Sowjetpuppenstaat setzen konnte. Dass letztlich dann auch ihre Schlägertrupps die Oberhand gewinnen konnten, die SA und dann auch die spätere elitäre SS zum Gewaltmonopol machen konnte, war ein Fanal, dass wohl nur noch durch die eher unkommentierten Machenschaften von Stalin und Mao übertroffen werden konnte. Dass in diesem Zusammenhang dann auch wenig getan wurde, um die Verursacher des Krieges, das Großbürgertum und seine Kapitalgeber, zu schützen, war folgerichtig. Die NS-Diktatur basierte im Wesentlichen auf die Forderungen der Arbeiterschaft. Und die suchte ein plausibles Opfer, das die Nazis ihnen gaben. Schuldige am Elend der Arbeiterschaft, Schuldige am Krieg und dann auch Schuldige am Niedergang des Reiches in Weimar: die Juden.

In der Schule lernten wir, dass die „Integration disparater Gruppen“ als Herrschaftsinstrument besonders tauglich ist. Hier vereinte sie die Arbeiterschaft, um ihre Macht an sich zu brechen und dem NS-Staat dienlich zu machen. Und dieser hatte nur ein Ziel, das aber die meisten Arbeiter im Reich für sich als wichtig ansahen. Die Wiedererlangung des nationalen Stolzes nach dem verlorenen Krieg als wieder respektierte Industriemacht der arbeitenden Deutschen. Daher dann auch die sofortige Umsetzung der jahrzehntealten Forderung nach einem eigenen bezahlten Feiertag der Arbeiterschaft. Wir erinnern uns? Das „A“ in NSDAP stand für Arbeiter.

Nach dem Krieg geriet das etwas in Vergessenheit. Medial tat man viel um das bis 1945 gängige Medienbekenntnis zur Arbeiterschaft und den Werktätigen der Goebbelschen Propagandamaschine zurückzufahren. Man verbannte es förmlich aus dem Sprachschatz. Ähnlich wie nach 1989 die „sozialistischen Werktätigen“ etwas in Vergessenheit gerieten, die nicht unwesentlich die linke Nachkriegsdiktatur im Osten durch passives Hinnehmen und Erleiden förderten.

So stand der Wiederaufbau nach 1945 ganz im Schatten derer, die zwar mit Masse Arbeiter waren, aber ideologisch, politisch und gesellschaftlich lieber etwas anders sein wollten, zumal man sprachlich auch in Konkurrenz zum anderen Deutschland stand, das ein sozialistischer Arbeiter- und Bauernstaat war, wie schon das Staatssymbol an sich schön und plakativ veranschaulichte. So geriet auch hier das Wort „Arbeiter“ auf eine politisch gewollte schiefe Bahn. Mit dem Aufkommen neuer Produktionsverfahren Anfang der 70er, neuen Produktionsprozessen und der zunehmenden Automatisierung, wurden viele Arbeiter überflüssig. Bei steigender Produktivität waren nun auch andere Berufe gefragt, die eine zunehmende Verwaltung der Arbeitsorganisation abbilden mussten. Das umfassende Berufsbild des Angestellten entstand, die per Definition nicht arbeiteten.

Das diese auch lohn- und versorgungstechnisch anders gestellt waren, mitunter besser, beflügelte das zunehmende Streben, in Angestelltenberufen unterzukommen. Als Kind seinen Eltern als Arbeiter in die Betriebe zu folgen, wurde zunehmend unmodern. Hatte schon fast etwas Makelhaftes an sich. Das mag mitunter auch daran liegen, dass wir schon 1964 den Millionsten Gastarbeiter im Land begrüßen durften. Angeworben durch die deutsche Industrie, die durch die menschlichen Kriegsverluste zu wenig Arbeiter hatten. Und diese Menschen wurden in den Arbeitsprozess integriert. Mitunter als Hilfsarbeiter für Zulangerdienste. Der alleruntersten Schicht in der Arbeiterhierarchie, die Stolz darauf war nun auch Facharbeiter zu stellen, deren umfassende theoretische und praktische Kenntnisse weltweit höchste Achtung fand und immer noch findet.

Und wer wollte schon, dass seine Kinder mit diesen Menschen gemein wurden? Worte wie Kanacke, Kümmeltürke, Ittacker und Jugos waren in den 70er zwar nicht gern gesehen, aber alltäglicher Sprachgebrauch.

Auch das beschleunigte den Niedergang der Arbeitermacht. Zusammen mit den Gewerkschaften, die den Wandel verschliefen und der SPD, die bis heute keine Antwort auf das Wegbrechen ihres ursprünglichen Wählerklientels findet. Wo selbst die SPD-Mitglieder ihren neuen Parteivorsitz nur zu etwas mehr als 50% überhaupt mitwählen wollten! Wenn August Bebel das wüsste…

Die Einführung von IT in Verwaltung und Produktion schuf massenweise neue Berufe, die allesamt mit Arbeitern nichts mehr zu tun hatten. Arbeiter waren nur noch dort tätig, wo sie als klarer und flexibel einsetzbarer Part in einem manuellen Workflow nötig waren, für die die Automatisierung zu teuer war… Im Zuge der Globalisierung wurden solche Parts dann auch bis dato gern in Niedriglohnländer verlegt, wie in der Corona-Krise dann an Schutzmasken nur zu kenntlich wurde.

Natürlich könnte man nun glauben, dass die einstige Arbeitermacht, die aus den Kesselräumen der kaiserlichen Schlachtschiffe in Wilhelmshaven Deutschland die Republik brachte, zur Angestelltenmacht wurde. Das wäre fatal anzunehmen. Die Angestellten hatten niemals die gemeinschaftliche Solidarität, das Standesbewusstsein(!) und das elitäre Gedankengut der Arbeiterbewegung. Sie waren nie ein Teil davon. Wollten es auch niemals sein. Letzteres wurde medial gefördert und industriellerseits auch nie gewollt. Eher unterdrückt. Mit diversen Maßnahmen und Regelungen.

Heute, nach Dotcom-Blase, Globalisierung, Euro-Krisen und Klimahysterie ist die Begrifflichkeit des Arbeiters fast schon aus dem Blickwinkel der tagesaktuellen Ereignisse verschwunden. „1. Mai – immer dabei“ mit erhobener rechter Faust und Inbrunst in der Stimme vorgetragen ist ein vergessener Kampfruf derer, zu denen man nun nicht mehr gehören will. Selbst Handwerksberufe erfreuen sich zunehmender Ignoranz. Keiner will sich mehr die Finger schmutzig machen, wie es einmal so treffend hieß. Über 55% aller Schulabsolventen wollen/gehen studieren. Irgendwas mit Medien, wohl auch um solche Studieninhalte wie Naturwissenschaften und (gerade auch) Mathematik zu meiden… Das macht sich dann auch politisch bemerkbar. Wo früher mal Arbeiter als Abgeordnete eher selten waren aber mit Stolz ihre Herkunft und ihren sozialen Anspruch in der Debatte hervorhoben, wie Norbert Blüm es tat, gibt es heute Repräsentanten, ohne auch nur eine Berufsausbildung an sich zu haben.

Damit hat die einstige Arbeitermacht und ihr Anspruch ein selten schlechtes Image erreicht. Wo eine soziale Bewegung von Schaffenden durch eine Sippe opportunistischer Menschen etwas vertreten will, kommt jedes Image auf den Prüfstand. Muss es auch kommen, denn solche Gestalten wären niemals auch nur in Sichtweite der Gründer der originären Arbeiterbewegung gekommen, deren Anspruch auf moralischen Werten basierte, die viele der Protagonisten von heute eher als hinderlich beim Abkassieren von Diäten empfinden.

Im Tivoli-Haus in Gotha saßen eben diese Gründer der politischen Arbeiterbewegung saßen und Rechte/Forderungen für Arbeiter formulierten, die heute selbstverständlich für unsere Gesellschaft sind. Als selbstverständlich von all denen angesehen werden, die sich offensichtlich niemals mit den Opfern eben dieses Fortschritts beschäftigt haben. Oder deren Prämissen.

Eine dieser Prämissen war und ist die uneingeschränkte Wertschätzung(!!) von jeder Art von Arbeit. Und sei sie noch so anteilig klein in der Produktivitätskette. Was ist ein sauberes Klo wert? Alltäglich geleerte Mülleimer im Betrieb? Oder wetterunabhängig geleerte Mülltonnen vor dem Haus? Was das Auffüllen von Flüssigkeitsständen in Produktionsrobotern? Eine saubere Straße? Eine Kerze, die romantisches Licht verströmt? Oder wie in Corona-Zeiten sichtbar wurde, eine Atemschutzmaske mit einem Produktions-Wert, der mal im Centbereich lag? Stattdessen reden wir vom Recht auf Homeoffice. Dazu hatten wir (HIER) etwas geschrieben. Damit wäre dann der Wegfall von kollegialem und sozialem Austausch vor Ort gemeint, der zu einer weiteren Diversifizierung von „Werktätigen“, Arbeitern und Angestellten führen wird. Damit geht folgerichtig wieder eine weitere Individualisierung von dem einher, was mal in der Gesamtheit der Belegschaft auch gesellschafts- und wirtschaftspolitisch zu Recht als Arbeitermacht tituliert wurde. Eine wirkliche Macht im Staate war.

Und mal ehrlich? Schon mal eine Kloschüssel im Homeoffive montiert? Einen Klempner gesehen, der so tätig werden konnte? Oder einen Dachdecker, Zahnarzt und Bäcker??

Könnte es sein, dass auch hier die Wertschätzung von Arbeit eine neue Sollbruchstelle erreicht? Nicht nur kein Depp sein, der sich die Finger schmutzig macht, sondern auch kein Idiot sein, der noch zur Arbeit gehen muss? Was kommt als nächstes? Überhaupt noch arbeiten zu müssen??

Am Tag der Arbeit sollten wir wirklich einmal in uns gehen und überlegen, was Arbeit – jede Arbeit – wirklich wert ist. Ob nicht Investitionen in Forschung, Lehre und Ausbildung fließen sollten, die produktiv mehr auf die Straße bringen als Gender-, Klima- und Rosa-Wolke-Visionäre es je können werden.

Ein Arbeiter schafft etwas mit seinen Händen. Früher wurden Handwerker in ihren individuellen Tagwerken verglichen. Ein Wagner baute beispielsweise ein Rad. In zehn Tagen einen Holzwagen. Heute rechnet sich das in dem Takt, den zum Beispiel das Fließband oder der Workflow vorgibt. Letzter dann auch als Homeoffice möglich.

Dass im Rahmen von New Work, Future Work, Industrie 4.0 und anderen Fortschritten Arbeit zum Teil völlig neu definiert werden muss, Produktivität anders gemessen werden könnte und damit auch neue Bilder von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat einhergehen können, ist klar. Wer rastet, der rostet. Dennoch darf der Wert von Arbeit an sich nie als Rost angesehen werden, der abgeklopft und übertüncht wird. Mit was auch immer. Denn mit dem Wertverlust von jeglicher Art von Arbeit und der damit wegfallenden Anerkennung und Wertschätzung kommen wir schnell in einen Bereich, wo gar nichts mehr etwas wert ist. Am Ende dann auch nicht mehr der Arbeiter an sich. Erst als Produktiveinheit. Dann als Mensch. Und das hatten wir schon einmal. Über tausende von Jahren. Diese Menschen hießen nicht Arbeiter. Aber Sklaven. Sic!


Fotoquelle: Yusuf Simsek: „Abgehoben und der Welt entrückt“ http://simsek.ch/