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Demografie: Sozialversicherungsbeiträge drohen zu explodieren

Forscher einer Studie für die Familienunternehmerverbände erwarten bald Beitragssätze von 50 Prozent. Sie befürchten eine sich selbst beschleunigende Abwanderung der Beitragszahler.

Das Sozialversicherungssystem in Deutschland steuert wegen zu stark steigender Ausgaben- und Beitragslasten auf einen finanziellen Kollaps zu. Zu dieser dramatischen Einschätzung kommt eine neue Sozialstaatsstudie, die Ökonomen für die Verbände „Die Familienunternehmer“ und „Die jungen Unternehmer“ erarbeitet haben.

Ohne kostendämpfende Reformen befürchten die Forscher, dass die Beitragssätze irgendwann zwischen den Jahren 2040 und 2050 auf mehr als 50 Prozent des Bruttolohns steigen werden – je nachdem, wie viele ausländische Fachkräfte sich als Beitragszahler gewinnen lassen. Sollten sich aber wegen zu hoher Abgaben immer weniger Aus- und Inländer zu regulärer Arbeit in Deutschland bereitfinden, drohe eine sich selbst antreibende Abwärtsspirale mit einem umso stärkeren Anstieg der Beitragssätze, so die Studie.

Umfassende Reformen gefordert

Die Studien-Autoren – Professor Christian Hagist von der Privatuniversität WHU in Vallendar und Stefan Fetzer, Professor für Public Health der Hochschule Aalen – sprechen von einem „Kipppunkt“, auf den das deutsche Sozialversicherungssystem zusteuere. Sie leiten daraus eine Reihe von Vorschlägen für einschneidende Reformen ab, um den vor allem durch den demografischen Wandel der Gesellschaft verursachten Ausgabenanstieg zu dämpfen. Viel Zeit bleibe nicht mehr. „Die nächste Legislaturperiode ist für solche Reformen entscheidend, denn ist der Kipppunkt erst erreicht, gerät das gesamte System der Sozialen Marktwirtschaft ins Wanken“, warnen die Forscher.

Bis vor zwei Jahren war es den Regierungen noch gelungen, die Summe der Sozialbeiträge unter 40 Prozent zu halten, allerdings vor allem dank unerwartet stark steigender Beschäftigtenzahlen und höherer Steu­erzuschüsse. Inzwischen ist der Gesamtbeitrag auf 41,5 Prozent gestiegen. Beschäftigte mit Kindern im eigenen Haushalt zahlen wegen eines Rabatts auf die Pflegebeiträge etwas weniger.

Hagist und Fetzer behaupten nicht, die genaue Beitragshöhe zu kennen, an der die Abwärtsspirale beginnt. Es liege aber nahe, den „Kipppunkt“ in der Nähe von 50 Prozent zu vermuten. Sollten dann inländische Beschäftigte vermehrt in Schwarzarbeit, andere Erwerbsformen oder ins Ausland abwandern und zudem weniger Fachkräfte einwandern, würde das ohnehin große demographische Problem noch größer. Denn je weniger Beitragszahler es gibt, desto stärker steigen die Beiträge der verbleibenden Zahler. Spätestens seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sei auch der Weg zu immer höheren Bundeszuschüssen verstellt, argumentieren die Forscher.

Als Schritt zur Stabilisierung schlagen sie vor, den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel stärker wirken zu lassen. Gibt es mehr Rentner und weniger Beitragszahler, würde damit der jährliche Anstieg der Renten stärker gedämpft als bisher vorgesehen. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) strebt indes das Gegenteil an: Mit der von ihm geplanten „Renten-Haltelinie“ würde ebendieser Faktor praktisch stillgelegt.

In der Krankenversicherung, die auf Dauer noch mehr Kostendruck hat, empfehlen die Forscher weitere radikale Schritte – etwa eine neue Praxisgebühr für Patienten und wettbewerbliche Versorgungsmodelle ohne freie Arztwahl.

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