Kulturtipp in DNEWS24
Buchtipp: Im Schatten meines Großvaters
Von Krieg, Trauma und dem Vermächtnis des Schweigens. Ein Buch von Angela Findlay, aus dem Englischen von Herwig Engelmann.
1987 betrat die in England aufgewachsene Angela Findlay ein Gefängnis und fühlte sich sofort und auf unerklärliche Weise wohl, als ob sie dorthin gehörte. Jahrelang hatte sie in England schmerzlich erfahren, dass die Deutschen unbeliebt, ja teilweise verhasst sind, litt unter Schuldgefühlen und bestrafte unbewusst sich selbst, weil sie sich für einen „schlechten Menschen“ hielt. Doch nun begann sie, nach den Ursachen dafür zu forschen. Als sie den Namen ihres Großvaters, des Wehrmachtsgenerals Karl von Graffen, zum ersten Mal googelte, tauchte ein Foto auf, wie er im Mai 1945 vor den Amerikanern kapituliert. Angela Findlay wurde zur Detektivin, sprach mit Familienmitgliedern und mit Fremden, um sich ein immer detaillierteres Bild nicht nur von ihrer deutschen Familie, sondern auch vom Deutschland der 1930er- und 1940er-Jahre und darüber hinaus zu machen. Ein großer Teil ihrer Recherchen umfasste Reisen zu bedeutenden Stätten in Deutschland und Italien und schließlich unternahm sie eine unglaubliche Reise durch Russland, bei der sie der Route folgte, die ihr Großvater während des Unternehmens Barbarossa genommen hatte.
In Im Schatten meines Großvaters erforscht die Autorin die Vererbbarkeit unbewältigter Erfahrungen, stellt tief verwurzelte Vorstellungen von Gut und Böse infrage und deckt die weniger bekannte Geschichte der Kriegsverlierer, eine Nachkriegskultur der Beschönigung und das bleibende Erbe der Schande auf. Anhand ihrer eigenen Familiengeschichte erforscht Findlay eine Episode der Geschichte, die nach wie vor erschüttert und fasziniert. Auf eindrucksvolle Weise zeigt sie, dass es möglich ist, die Narben eines Traumas nicht nur über Generationen hinweg weiterzugeben, sondern auch zu heilen.
Die Autorin
Angela Findlay, geboren 1964, Künstlerin und Vortragsrednerin, wächst als Tochter einer deutschen Mutter und eines englischen Vaters auf. Wegen ihrer Abstammung leidet sie zusehends unter Schuldgefühlen, weil sie sich für einen „schlechten Menschen“ hält. Jahrelang unterrichtet sie Kunst in Gefängnissen und fühlt sich hier „unter anderen Schuldigen“ am wohlsten. Mit 40 rückt das Leben ihres Großvaters, des Wehrmachtsgenerals Karl von Graffen, in den Mittelpunkt ihres Lebens, und sie beginnt mit der langwierigen Aufarbeitung der Familienerlebnisse. Ihre Zeit „hinter Gittern“ und später als Kunstkoordinatorin für die in London ansässige Wohltätigkeitsorganisation Koestler Arts hat ihre Forschung über die generationenübergreifenden Folgen von ungelösten Traumata, von verdrängter Schuld und Scham geprägt. Seit über einem Jahrzehnt hält sie Vorträge und schreibt über dieses Thema sowie über Nachkriegserinnerung, Aufarbeitung und Versöhnung. Im Schatten meines Großvaters ist ihr erstes Buch.
Bibliografie
- Verlag: Europaverlag
- Seiten: 432
- ISBN: 978-3-95890-559-7
- Preis: 26,00 Euro