Überhöhte Forderung der Banken auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung wegen negativer Pfandbriefrendite? Von Dr. Dr. Tamara Knöpfel

Viele Häusle-Bauer wollen die historisch niedrigen Zinsen nutzen. Eine Umschuldung oder vorzeitige Tilgung bietet aber auch Risiken. Ein Gastbeitrag von Dr. Tamara Knöpfel.

Die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Ablösung von Immobiliendarlehen, bzw. von Darlehen, welche grundpfandrechtlich besichert sind, führt in der Bankpraxis immer wieder zu Streit. Die Kündigung eines solchen Darlehens kann, innerhalb der Zinsbindungsfrist bzw. vor Ablauf von 10 Jahren seit Empfang des Darlehens, nur aus wichtigem Grund erfolgen (§ 490 Abs. 2 BGB). Ein wichtiger Grund ist beispielsweise der Verkauf der Immobilie die als Sicherheit für das Darlehen dient. Demgegenüber ist die Tatsache, dass die Marktzinsen seit Abschluss des Darlehens gefallen sind, oder die freie Verfügbarkeit von Kapital beim Darlehensnehmer, das er gerne zur Darlehensrückführung einsetzen möchte, kein wichtiger Grund, welcher zur vorzeitigen Kündigung des Darlehens berechtigt.

Die vorzeitige Kündigung des Darlehens aus wichtigem Grund ist nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich. Die Vorfälligkeitsentschädigung soll die enttäuschte Zinserwartung der Bank ausgleichen. Sie ist Schadenersatzanspruch der Bank gegen den Darlehensnehmer, denn die Bank soll durch die Kündigung des Darlehens keine Nachteile, aber auch keine Vorteile haben.

Die Art und Weise, wie die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werden kann, hat der Gesetzgeber nicht gegelt, sondern der Rechtsprechung überlassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1997 zwei mögliche Berechnungsmethoden gebilligt, die von den Banken angewendet werden. Danach kann die Bank ihren Schaden pauschal nach der so genannten Aktiv-Aktiv-Methode oder der Aktiv-Passiv-Methode berechnen.

Bei der Aktiv-Aktiv-Methode wird der abgezinste Zinsbetrag errechnet, welchen die Bank bis zum nächsten Kündigungszeitpunkt erhalten hätte. Hiervon wird der Zinsaufwand nach dem Refinanzierungszinssatz der EZB (europäische Zentralbank) abgezogen. Da Refinanzierungszinssatz seit März 2016 bei 0,00% erhält die Bank seit diesem Zeitpunkt die Vertragszinsen abzüglich ersparter Verwaltungskosten und Risikoabschläge, jedenfalls aber nicht mehr, als sie bei der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung bis zum Kündigungszeitpunkt erhalten hätte.

Anders ist dies bei einer Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode. Auch dort wird zunächst der (abgezinste) Vertragszins ermittelt, welchen die Bank bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit erhalten hätte. Hiervon wird dann die Wiederanlagerendite abgezogen, welche die von der Bundesbank für laufzeitkongruente Anlagen in Pfandbriefe veröffentlich. Diese Wiederanlagerendite ist seit September 2016 durchgängig negativ (im August lag die Rendite bei einjährigen Hypothekenpfandbriefen bei -0,41%, bei vierjährigen Hypothekenpfandbriefen bei -0,35%), so dass sich eine negative Wiederanlagerendite errechnet, welche von der Bank dann auf den Vertragszins aufgeschlagen wird. Damit ist die Vorfälligkeitsentschädigung höher ist als der Betrag, den die Bank bei ordnungsgemäßer

Fortführung des Darlehens bis zum nächsten Kündigungszeitpunkt hätte verlangen können. Genau diese widerspricht jedoch dem Zweck der Vorfälligkeitsentschädigung, welche nur die gesicherte Zinserwartung der Bank schützen soll. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach einem Verfahren, welches der Bundesgerichtshof im Jahr 1997 billigte, also zu einer Zeit, als die Wiederanlagerendite bei Anlagen in Hypothekenpfandbriefen von einer negativen Rendite weit entfernt war, kann in Zeiten von Negativrenditen nicht herangezogen werden.

Auch Artikel 25 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie begrenzt die Entschädigung der Bank auf ihren finanziellen Verlust wegen der vorzeitigen Rückführung. Sie soll jedoch nicht besser gestellt werden, als wenn der Darlehensvertrag nicht gekündigt worden wäre. Bislang haben sich die Gerichte mit diesem Problem – soweit ersichtlich – noch nicht beschäftigt.

Die Beträge, welche bei der Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode über die Vertragszinsen hinausgehen, können beträchtlich sein, so dass sich gerade bei Vorfälligkeitsentschädigungen im Bereich ab 10.000,- € eine Überprüfung lohnt.

Die Autorin Dr. Tamara Knöpfel

Dr. Tamara Knöpfel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und  Versicherungsrecht in Berlin (www.anwaltskanzlei-tk.de). Sie ist seit 2005 als Rechtsanwältin tätig.

Frau Dr. Knöpfel berät und vertritt private und institutionelle Kapitalanleger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche bei gescheiterten Kapitalanlagen. Dabei ist die Einarbeitung in die Funktionsweise unterschiedlicher Kapitalanlagemodelle ihre Leidenschaft und garantiert den größtmöglichen Erfolg bei der Durchsetzung von Ansprüchen. Denn nur wenn klar ist, wie die Anlage konzipiert worden war und herausgearbeitet wurde, welches Problem zu deren Scheitern führte, kann beurteilt werden, ob eine Aufklärungspflichtverletzung zum Abschluss der Kapitalanlage durch den Anleger geführt hat.