Über Brenngläser und die neue Geschlechtergerechtigkeit

Die neue (alte) Rolle der Frau in Corona-Digitalisierung-Demografie-Zeiten analysiert Topagemodel Renate Zott.

Brennglas ist ein neues Modewort und bezeichnet die Verdichtung von Problemen in bestimmten Bereichen, die auch vor Corona schon da waren. Nach meinem persönlichen Geschmack lohnt es sich wenig, darüber zu befinden, wie stark sie sich durch die Krise potenziert haben oder wie schön sie nun zu sehen sind, sondern eher der Blick darauf, wie man die Kühe vom Eis kriegt. Und wenn ich das so sagen darf, es sind eine Menge davon auf der Eisfläche.

Und weil die bildhaft da gerade so schön wie die Kürläufer beim Eistanz stehen, will ich noch sagen, dass man die Kühe in der Politik gerne Schaulaufen lässt. Die Show läuft dann so, dass man sie mit allerlei hochtrabendem Wortspiel fliegen lässt, aber sie nach der Kür doch noch auf dem Eis sind. Das passt nicht ganz so gut zu dem Plan, dass nach Corona alles schöner werden soll. Derweil klappt es schon gut mit dem Schaulaufen und auch die Wissenschaft bringt sich choreographisch ein. Einen Zukunftspakt wollen wir schließen, die Gesellschaft neu gestalten, die digitale Transformation (wenn irgendwann alle Internet haben) überleben, moderne Working Spaces schaffen und darüber hinaus ganz viel Raum dafür schaffen, experimentell mit innovativen Arbeitsstrukturen nach Corona umzugehen. Und ach ja, fast hätte ich es vergessen, wir wollen bei alledem auch noch einen Geschlechtergerechtigkeitscheck einbauen. OK. Frage: Muss ich bei der ganzen Experimentierfreude dann noch arbeiten?

Zurück zum Brennglas. Im heutigen Artikel brenne ich für das Thema >Was wir jetzt für Frauen tun müssen<. Nicht nur, weil mir der so bezeichnete Trend ‚Zurück an den Herd‘ nicht gefällt, sondern auch, weil ich am 25.6.2020 Gelegenheit hatte, einer Frauen-Expertenrunde beizuwohnen, die darüber diskutiert hat, wie wir gleichberechtigt aus der Krise rauskommen. Eingeladen hatte Frau Katrin Göring-Eckardt und zwar: Prof. Dr. Monika Schnitzer (umgangssprachlich als eine der 5 Wirtschaftsweisen bezeichnet), Janina Kugel (Aufsichtsrätin Senior Advisor bei der BCG), sowie Dr. Kira Marrs (Wissenschaftlerin am ISF). Grundsätzlich bestand in der Runde völliges Einvernehmen darüber, dass wir in Deutschland noch weit weg sind, vom Zustand einer Geschlechtergerechtigkeit. Ja warum eigentlich? – in einem Land wie unserem, das sich gerne in der Vorreiterrolle sieht? Gefallen hat mir, dass einige Problemfelder klar benannt wurden und was – aus Sicht der Expertinnen – zu tun ist. Demnach braucht es für eine gleichberechtigtere Zukunft vor allem: – die Abschaffung des Ehegattensplittings (auch eine beitragsfreie Mitversicherung sollte wegfallen), – einen strukturellen Wandel, – eine bessere Infrastruktur, – gleiche Bezahlung, – mehr Souveränität über Arbeitszeiten, – Frauenquoten, – mehr Anreize und Möglichkeiten der Weiterbildung sowie Qualifizierung und ein – neues gesellschaftliches Verständnis für die Rolle der Frau und zwar durch alle Generationen. Interessant finde ich den Ansatz von Frau Prof. Schnitzer, dass unsere Rollenbilder schon im Kindesalter geprägt werden und sich entsprechend auswirken. Wenn also – vereinfacht gesagt – auf Prospekten Männer als Chefs und Frauen als Assistentinnen abgebildet werden, dann verstärkt es alte Klischees. Nicht anders mit Teams von Pflegeeinrichtungen, auf denen nur Frauen zu sehen sind. Dass z. B. deutlich weniger Frauen in technischen Berufen arbeiten, führt sie u.a. darauf zurück, dass auf solche Berufe in Beratungsgesprächen vielfach kein Hinweis erfolgt. Möglichkeiten also nicht wahrgenommen werden, weil die Aufklärung fehlt. Wünschenswert wären ihrer Auffassung nach auch mehr Frauenquoten, weil die Quote dazu führen würde, Frauen zu motivieren, Führungsaufgaben zu übernehmen und Stereotype, wie der vorherrschende Glaube, dass Frauen schlechter qualifiziert sind, abzubauen. Als sehr pragmatisch habe ich in der Runde auch Janina Kugel erlebt. Zum momentan hoch im Kurs stehenden >Homeoffice< sagt sie: „Mehr als 20%, die dauerhaft von zu Hause aus arbeiten können wird es auch in Zukunft nicht geben, weil Präsenzstrukturen und auch eine Präsenzkultur in den Unternehmen erforderlich ist“. Ihr Votum geht klar in Richtung einer größeren Zeitsouveränität und bedeutet, dass Mitarbeiter*innen einen größeren Freiraum im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeiten haben sollten und hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass sich in skandinavischen Ländern schon lange Familienkernzeiten etabliert haben, also Zeiten, in denen sich auch Chefs, egal ob Männer oder Frauen, um die Familie kümmern. Für wenig aussichtsreich hält sie den Ansatz ‚Führen ohne Präsenz‘ oder ‚Führen in Teilzeit‘, weil praktisch kaum umsetzbar. Viel wichtiger ist ihr die breite gesellschaftliche Akzeptanz von Lebensmodellen, die Frauen mit Familie und Beruf Normalität zuschreiben, die leider noch nicht gegeben ist. Familienarbeit ist nach ihrem Verständnis eben nicht nur Frauenthema.

Frau Göring-Eckardt ergänzt passend, dass stark prägt, wie man aufwächst. Sie selbst sei in einem Umfeld aufgewachsen, wo die Frauen immer gearbeitet haben und das Wort „Rabenmutter“ habe sie bis in die 90er hinein überhaupt nicht gekannt. Qua Beruf werden demnach Mütter nicht zu Rabenmüttern, sondern es ist vielmehr das Umfeld, das Berufstätige zu Rabenmüttern erklärt.

Bis auf Weiteres bleibt es also spannend – zwischen Kochtopf und Karriere.