Tritt die Betriebsschließungsversicherung nach Seuchen in der Corona-Krise ein?
Die Bundesregierung hat ein 756-Milliarden-Euro-Hilfspaket für Firmen und Bürger geschnürt. Welche Versicherungen helfen gegen Pleiten im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie COVID19? Eine Analyse von Dr. Tamara Knöpfel.
Die Corona-Krise bedroht die Existenz von Unternehmern. Restaurants und Kneipen sind geschlossen, zuvor kam es bereits durch die Beschränkung der Öffnungszeiten zu Gewinneinbußen. Schon vor der bundesweiten Kontaktsperre blieben die Kunden aus. Viele Unternehmen, wie beispielsweise Messebauunternehmen sind nicht unmittelbar, sondern „nur“ mittelbar betroffen. Hier gibt es keine direkten Betriebsschließungen, defacto wirken sich die Maßnahmen aber wie eine solche aus.
Viele Unternehmer, die eine Betriebsschließungsversicherung nach Seuchen abgeschlossen haben, fragen sich, ob diese auch in der aktuellen Corona-Krise eintritt. Es ist zu erwarten, dass die Versicherer nicht ohne Weiteres Leistungen zusagen werden. Erste Probleme sind zu erwarten.
1. Coronavirus findet sich nicht direkt im Infektionsschutzgesetz sondern in Verordnung
Der Versicherungsfall in der Betriebsschließungsversicherung setzt nach den Versicherungsbedingungen der Versicherer voraus, dass „die zuständige Behörde den Betrieb oder die versicherte Betriebsstätte“ wegen einer Infektion mit einer Krankheit oder einem Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz schließt oder ein Tätigkeitsverbot für alle Mitarbeiter ausspricht. Die Versicherungsbedingungen verweisen auf § 6 und § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), im Übrigen übernehmen sie den Wortlaut des Gesetzes, in diesem findet sich jedoch 2019-nConV wie der Erreger offiziell heißt, nicht. Vielmehr wurde nur die Meldepflicht durch eine Verordnung mit dem Namen „Verordnung für die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetz auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nConV“)“ erweitert. Diese Verordnung ist am 31.01.2020 in Kraft getreten und tritt am 01. Februar 2021 außer Kraft. Es ist zu erwarten, dass Versicherer ihre Leistungspflicht mit dem Hinweis auf die fehlende Aufnahme des neuartigen Coronavirus in das Infektionsschutzgesetz ablehnen werden. Selbstverständlich gibt es gute Argumente, dies anders zu sehen, letztlich werden hierüber dann aber wieder die Gerichte entscheiden müssen.
2. Beschränkung der Öffnungszeiten oder des Publikumsverkehrs keine Schließung?
Nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen muss die Betriebsstilllegung durch die zuständige Behörde erfolgen, um eine Ausbreitung des Erregers zu verhindern. Die Beschränkung der Öffnungszeiten stellt keine vollständige Schließung des Betriebes dar, dasselbe gilt für die Beschränkung des Publikumsverkehrs bei Gaststätten, welche nun keine Gäste mehr bewirten dürfen, aber noch Gerichte zum Mitnehmen verkaufen dürfen. In versicherungsrechtlicher Hinsicht sind diese uneindeutigen Maßnahmen für den Gaststättenbetreiber ein Desaster, denn einerseits brechen ihm die Einnahmen weg, andererseits wird der Versicherer sich darauf berufen, dass keine Betriebsstilllegung durch die zuständige Behörde erfolgt ist. Allenfalls im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung kann man dazu gelangen, auch die Beschränkung der Öffnungszeiten oder des Publikumsverkehrs als faktische Betriebsstillegung anzusehen.
Auch der Erlass einer Ausgangssperre führt für die betroffenen Unternehmen allenfalls mittelbar dazu, dass sie den Betrieb einstellen müssen. Es liegt in diesem Fall jedoch keine Betriebsschließung durch die Behörden vor.
Der Unternehmer ist gut beraten, sich möglichst frühzeitig – noch vor einer Meldung an den Versicherer – anwaltlich beraten zu lassen und auch die Schadensmeldung in professionelle Hände zu geben.
Die Autorin Dr. Tamara Knöpfel
Dr. Tamara Knöpfel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht in Berlin (www.anwaltskanzlei-tk.de). Sie ist seit 2005 als Rechtsanwältin tätig.
Frau Dr. Knöpfel vertritt Versicherungsnehmer bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber Versicherern aus allen Bereichen des Versicherungsrechts. Darüber hinaus führt sie eine Vielzahl von Kapitalanlegermusterverfahren (KapMuG) wegen Schadenersatzansprüchen infolge von Prospekthaftung im Zusammenhang mit Schiffsfonds.