REWE beklagt die neuen Lockdown-Maßnahmen und tut – nichts

Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der REWE Group, kündigt vollmundig an – ja was eigentlich? Sascha Rauschenberger hat nachgefragt.

Diese Woche überraschte uns die Mahnung von Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der REWE Group, die bestehenden Regelungen zur Fläche pro Kunde besser nicht anzutasten. Wörtlich sagte er:

„Wenn nur noch 40 statt 100 Menschen gleichzeitig in einem Supermarkt mit 1.000 Quadratmetern Verkaufsfläche einkaufen dürften, befürchte ich vor Weihnachten endlose Warteschlangen und chaotische Situationen vor den Supermärkten“.

Lionel Souque ist nicht gerade bekannt dafür, mit diffusen Meinungen die Öffentlichkeit aufzuschrecken oder sinnlose Pressemeldungen zu lancieren, die ohnehin schon luftleere Räume mit zusätzlichem Vakuum füllen. Eher im Gegenteil. Es ist auch bekannt, dass die Chefs der großen Einzelhandes-Ketten einen Brandbrief an die Bundesregierung verfasst haben, der die geplanten Änderungen kritisch betrachtete. Alle Discounter sehen die angesagten coronabedingten Änderungen aus versorgungstechnischer Sicht kritisch, denn die Reduzierung der Kapazität um 60 Prozent (!!) garantiert in der Weihnachtszeit nicht nur mathematisch absehbare Engpässe. Zur Vereinfachung: Jeder weiß, wie schön das Gedränge in den Supermärkten zu Weihnachten ist, wenn alle davon überrascht sind, dass am 24.12. Heiligabend ist und den Angeboten hinterherhecheln. Die Schlangen an den Bedientheken und an den überfüllten Kassen kennt jeder Leidensgenosse. Nun stellen wir uns vor, dass davon 60% nicht in das Geschäft kommen und vor dem Markt warten müssen, bis wieder ein Kunde rauskommt. Das ist dann wie im überfüllten Parkhaus am Wochenende in der City.

Jeder Kunde darf nur mit jeweils EINEM (1) Einkaufswagen herein. Die Anzahl der Einkaufswagen regelt also den Zugang von selbst. Und nun ist Winter. Regen, Schnee, Kälte und vorweihnachtlicher Stress, zusammen etwas gesteigert durch MaskenCoronaLockdownFrust, dürfte die feierliche Stimmung etwas trüben. Selbst wenn die Wartenden mit „Oh du Fröhliche“ beschallt werden sollten, was gemeinhin aber auch schon wieder als rassistisch gebrandmarkt werden könnte. Der Teufel eben liegt im Detail.

Ich habe bei REWE nachgefragt, wie das denn so aus Sicht von REWE genau aussehen könnte. Was zu befürchten ist und wie REWE sich auf das selbst prophezeite Szenario vorbereitet hat. Hier unsere zehn simplen Fragen:

  1. Wie sieht der Schlüssel zur Berechnung der Kapazität der Märkte (z.B. für Köln) explizit aus (Formel samt Definition der Inhalte)?
  2. Kann die gewöhnliche Versorgung aus REWE-Sicht mit der aktuellen Begrenzung zu Weihnachten gewährleistet werden?
  3. REWE hat zusammen mit anderen Discountern der Bundesregierung diesbezüglich einen „Brandbrief“ geschrieben. Die mir vorliegenden Infos reichen, um die Versorgungssicherheit ressourcentechnisch in Frage zu stellen. Ist das so?
  4. Gibt es vor den Märkten ein Warteschlangenkonzept?
  5. Hat REWE ein Vorsorgekonzept für Wartende, gerade in nass-kalter winterlicher Situation, erarbeitet? Ich denke hier gerade an sehr (auch corona) anfällige Senioren.
  6. Gibt es untermauerte Berechnungen für Ballungszentren (z.B. Köln) wie die Rate der zu bedienenden Kunden abnehmen wird? Und was heißt das dann genau?
  7. Mit welchen konkreten Einschränkungen in der Versorgung rechnen Sie?
  8. Wurden Ihre Mitarbeiter hinsichtlich der zu erwartenden „Umstände“ informiert? Gibt es ggf. Krisenpläne?
  9. Gibt es ggf. Reservepläne, falls Ihre MA durch Corona ausfallen sollten, was zusätzliche Engpässe aufzeigen würde?
  10. Wieviel an Mehrkosten bedeutet die Umsetzung der Beschlüsse allein für REWE in Relation zum Umsatz-/Gewinnverhältnis? Auch unter Beachtung, dass der Lebensmittelmarkt in Deutschland im internationalen Vergleich extrem niedrige Margen hat.

Hier die Antwort der Pressesprecherin der REWE-Group im Original: „Guten Tag Herr Rauschenberg,

zunächst bleibt abzuwarten, wie die Bundesländer die verabschiedeten Beschlüsse in ihren jeweiligen Landesverordnungen umsetzen. Diese regeln die lokal erforderlichen Maßnahmen im Detail. Wir halten uns an die jeweils für den Markt gültigen Vorgaben.

Der Schutz und die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeiter haben für uns oberste Priorität. Wo der Kundenzulauf dies notwendig macht, beschränken wir den Zugang zu den Märkten. Dies geschieht sowohl durch Einlasskontrollen als auch durch die Begrenzung der Anzahl der Einkaufswagen und Einkaufskörbe. Über die jeweilige Regelung informieren die Märkte ihre Kunden über Aushänge und Plakate.

Beste Grüße Kristina Schütz Pressesprecherin REWE Group“

Das lassen wir jetzt mal wirken. Wäre es nicht schön gewesen, wenn man etwas erfahren hätte, was die Sorge der REWE-Group für die Kunden besser zum Ausdruck gebracht hätte? Vielleicht folgende Ideen: – Wir verlängern die Öffnungszeiten, um das Kundenaufkommen besser zu verteilen. – Wir stellen überplante Bereiche zur Verfügung, um die winterlichen Witterungsverhältnisse für unsere Kunden abzumildern? – Wir stellen wieder Security-Mitarbeiter zur Verfügung. – Wir werden unsere Kunden bitten möglichst schnell einzukaufen, um die Wartezeit für andere zu verkürzen. – Wir haben beantragt (auch am Wochenende) durchgehend zu öffnen! – Wir klagen vor den Verwaltungsgerichten, da wir die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gefährdet sehen. Denn als Lebensmittelbranche sehen wir uns als kritische Infrastruktur an, die man so nicht einschränken kann. – Wir befürchten, dass unsere wartenden Kunden besonders auch an anderen saisonbedingten Krankheiten wie Grippe oder Erkältung erkranken könnten. – Wir sehen gerade die Risikogruppe der Senioren als besonders gefährdet an, die wir als besonders schützenswert ansehen. – Wir haben auch ein besonderes Sicherheitskonzept für unsere Märkte inklusive den Warteschlangen erarbeitet. – …

Wären das nicht die Punkte gewesen, die wir als nun durch Herrn Lionel Souque informierte Kunden hätten erwarten dürfen? Besonders, da uns das doch alle betrifft? Hätten wir nicht erwarten können, dass sich hier ein paar Leute ein paar Gedanken mehr hätten machen können? Mit Maßnahmenplänen, Ressourcenbereitstellungen und auch Vorsorgemaßnahmen. War das zu kompliziert? Und was die Mitarbeiter angeht, die nun auch von steigenden Infektionszahlen betroffen sein könnten, ist nun gar keine Rede. Oder sollen die auch weiterarbeiten, so wie das Krankenhauspersonal, wenn sie infiziert sind? Denn auch diese Frage blieb komplett ignoriert. Könnte aber wichtig werden, oder? An der Stelle hätte man gern gelesen, dass man schon ehemalige Mitarbeiter im Ruhestand angeschrieben hat, um eine Personalbasis in Reserve aufzubauen. Gerade auch, um die so wichtige Versorgungssicherheit unter allen Umständen für die Kunden (Bevölkerung) zu erhalten. Aber es gibt ein Lichtblick: man wird die Kunden mit Aushängen an den Märkten informieren, was gerade gilt. Sobald man also den Markt erreicht hat, wird man vor Ort in der Schlange informiert. Wie schön. Vorgelebte Digitalisierung vom Feinsten. Warum nicht das REWE-Angebot der Onlinebestellung und kostenlosen Auslieferung ab 30, 50 oder X Euro Warenwert ins Spiel bringen? Das könnte den Andrang reduzieren helfen.

Der Autor glaubt aber eher daran, dass das, was Lionel Souque uns wirklich sagen wollte, etwa so gemeint war: „Die neuen von der Regierung angedachten Maßnahmen rauben uns bis zu 60 Prozent des Umsatzes und ggf. notwendige Maßnahmen für Laden- und Wartekonzepte zzgl. der Sicherheitskräfte kosten uns wieder nur Geld. Natürlich sind wir um die Gesundheit von Kunden und Mitarbeitern besorgt, aber haben auch unsere Bilanz im Auge. Wir wollen nun nicht in die allg. Corona-Kritik einsteigen, möchten aber darauf hinweisen, dass neben Hotel, Gastronomie, Lufthansa und Event auch wir gerade Verluste machen. – Geht da euromäßig was für uns???“

Frohen Advent!

Ach, ja. Kleiner Hinweis, Frau Schütz. Ich heiße Rauschenberger. Wie jede Seuche habe auch ich einen langen Namen. Nicht so kompliziert, aber halt mit Tücken. Und nur die vierzehn kompletten Buchstaben machen deutlich, wen sich REWE nun zum Freund gemacht hat. Wie versprochen schaue ich mich dann in der Hochphase des Weihnachtsgeschäftes in ein paar Märkten um. Die Analyse lesen Sie dann hier. – Danke!

Sascha Rauschenberger, geboren 1966 in Wattenscheid, ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, wo er als Panzeraufklärer und Nachrichtenoffizier Dienst tat. Er diente, unter anderem als Reservist, in vier Auslandseinsätzen, zuletzt als Militärberater in Afghanistan.

Seit 2000 ist er als Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement und Arbeitsorganisation (Future Work) tätig.