Homeoffice: Chancen und Risiken

Homeoffice ist in der Corona-Krise für viele zur täglichen Realität geworden. Welche Möglichkeiten die mobile Arbeit bietet und welche Risiken entstehen, zeigen aktuelle Studien.

Im April haben etwas weniger Beschäftigte das Homeoffice genutzt als im Vormonat. Das geht aus einer Umfrage des ifo Instituts hervor. Demnach sank der Anteil auf 30,8 Prozent der Beschäftigten, die zumindest teilweise im Homeoffice arbeiteten, von 31,7 Prozent im März und 30,3 Prozent im Februar. „Die verschärfte Pflicht zum Heimbüro in Corona-Zeiten scheint zu verpuffen“, sagt dazu Jean-Victor Alipour, Experte für Homeoffice beim ifo Institut.

Der Rückgang zeigt sich quer durch viele Branchen: In der Industrie von 23,4 auf 22,4 Prozent, bei den Dienstleistern von 42,6 auf 41,1 Prozent und im Handel von 19 auf 18,9 Prozent der Beschäftigten. Nur auf dem Bau stieg der Anteil von 8,3 auf 11,3 Prozent.

Das ifo Institut schätzt, dass über alle Branchen 56 Prozent der Beschäftigten Arbeit im Heimbüro zumindest teilweise umsetzen könnten. Die Nutzung und das Potenzial unterscheiden sich aber in großem Maße nach den Wirtschaftszweigen. An der Spitze bei der Nutzung liegen die Erbringer von Dienstleistungen der Informationstechnik mit 79,8 Prozent; ihr Potenzial liegt bei 87,4 Prozent. In der Pharmabranche liegt die Nutzung bei 39,4, aber 62,6 Prozent wären möglich. Weit unter ihren Möglichkeiten liegen Beschäftigte im Landverkehr und bei Rohrleitungen mit 11,4 Prozent, wo 50,2 Prozent im Homeoffice arbeiten könnten; und die Hersteller von Holz-, Flecht- und Korbwaren mit 9,7 Prozent, wo 42,8 Prozent möglich wären.

Im Gespräch mit Gerd Schierenbeck (Akademie 50Plus, BVI50PLUS) erläutert Anne-Marie Glowienka (HochForm) die katalysierende Wirkung der Pandemie für die Arbeitswelt und wie neue Potentiale für BGM durch Digitalisierung entstehen können.

Welche Rolle spielen gesundheitsfördernde Maßnahmen (BGM) im Unternehmen in Zeiten einer alternden Arbeitnehmerschaft? Rudolf Kast, Vorstand des Demografie Netzwerk (ddn) gab Antworten auf diese Fragen im Rahmen der Demografie-Debatte Deutschland 2021 (#DDD2021​).

Es gibt eine Vielzahl von Begriffen, mit der die Verlagerung einer betriebsgebundenen Tätigkeit an einen anderen Ort bezeichnet wird. Das orts- und zeitflexible Arbeiten wird unter anderem als mobile Arbeit, Telearbeit, Homeoffice oder Heimarbeit bezeichnet. Die vagen Begrifflichkeiten bergen die Gefahr, dass gesetzliche Regeln umgangen werden. Welche Lösungen Beschäftigte und Arbeitgeber finden, um dem Wunsch nach mehr Flexibilität in der betrieblichen Praxis gerecht zu werden, zeigt unsere Auswertung von 31 Betriebs- und Dienstvereinbarungen.

Zahlen und Fakten: Homeoffice-Nutzung während der Corona-Epidemie

Corona ist ein Katalysator für die mobile Arbeit: Ende Juni 2020 arbeiteten rund 16 Prozent der Befragten in unserer repräsentativen Befragung unter Beschäftigten überwiegend oder ausschließlich zu Hause. Weitere 17 Prozent gaben an, abwechselnd im Betrieb oder zu Hause zu arbeiten. Der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice ist damit deutlich höher als vor Ausbruch der Pandemie, als nur 4 Prozent überwiegend oder ausschließlich zu Hause arbeiteten. Noch höher als zuletzt war der Anteil allerdings mit 27 Prozent im April 2020, also kurz nach Beginn der Coronakrise in Deutschland.

Ãœberraschend gering war die Nutzung des Homeoffice hingegen im November 2020 ausgefallen, also im Zeitraum des „Lockdown Light“. Nur 14 Prozent der befragten Erwerbstätigen gaben an, überwiegend oder ausschließlich Zuhause gearbeitet zu haben, obwohl die Politik an die Arbeitgeber appelliert hatte, mobile Arbeit flächendeckend möglich zu machen. Erst im Januar 2021 waren die Zahlen wieder annähernd auf dem Niveau vom April des Vorjahres, wie unsere neueste Befragungswelle zeigte. Darin wurde jedoch auch klar: Noch immer werden viele Beschäftigte mit Homeoffice-geeigneten Jobs zur Präsenzarbeit angehalten.

Gleichwohl dürfte das Homeoffice künftig eine größere Rolle in der Arbeitswelt spielen: Die Frage, ob sie damit rechnen, dass Homeoffice in Zukunft weiter verbreitet sein wird, beantworten 71 Prozent der Befragten unserer Juni-Befragung mit Ja.

Tatsächlich birgt die Arbeit zu Hause auch Gefahren, etwa durch psychische Überlastung, Vereinsamung oder Karrierenachteile. Diese Risiken können allerdings abgewendet werden, wenn klare betriebliche Regeln geschaffen und die notwendigen Rahmenbedingungen eingehalten werden, so eine Studie aus dem April 2021 von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.

In mitbestimmten Betrieben berichten Beschäftigte überdurchschnittlich häufig über positive Erfahrungen mit dem Homeoffice. In Betrieben mit Betriebsrat tun dies 86 Prozent, im Durchschnitt nur 77 Prozent. Fast die Hälfte der Befragten im Homeoffice möchte auch in Zukunft gern von zu Hause arbeiten. Dies deute auf eine „hohe Zufriedenheit und Offenheit gegenüber dem Homeoffice“ hin, so die Forscherinnen.

Entgrenzung und Retraditionalisierung: Auswirkungen des Homeoffice auf Beschäftigte

Homeoffice kann tradierte Arbeitsteilung verstärken: Wer zu Hause arbeitet, bringt mehr Zeit für Sorgearbeit auf. Das gilt für Frauen stärker als für Männer. Es braucht also neue Regeln für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Anreize für eine gerechtere Aufteilung von Sorgearbeit. Das zeigt eine Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, die Yvonne Lott vom WSI zusammen mit Claire Samtleben und Kai-Uwe Müller vom DIW verfasst hat.

Insbesondere bei Eltern sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beobachten: Mütter, die im Homeoffice arbeiten, kommen in der Woche auf drei Stunden mehr Betreuungszeit für die Kinder als Mütter, die nicht zu Hause arbeiten können. Bei Vätern sieht es anders aus: Sie machen im Homeoffice mehr Überstunden, nehmen sich aber nicht mehr Zeit für die Kinder.

Die Erfahrungen von Beschäftigten mit dem Homeoffice in Corona-Zeiten sind unterschiedlich: So sagen 77 Prozent, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 60 Prozent glauben, die Arbeit daheim sogar effektiver organisieren zu können als im Betrieb. Allerdings haben 60 Prozent der Befragten mit Homeoffice-Nutzung den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen.

Eng mit dem Thema Homeoffice verknüpft ist oft die Frage nach den Arbeitszeiten: Extrem flexible Arbeitszeiten gehen häufig zulasten der Beschäftigten, zeigt die Studie unserer Expertin für mobiles Arbeiten und Flexibilisierung von Arbeit, Yvonne Lott. Wer im Homeoffice tätig ist, kann abends oft nicht abschalten. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 45 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Beschäftigten, die nie zu Hause arbeiten.

Neue DAK-Studie zeigt Gesundheitsrisiken durch die Arbeit zu Hause – Ein Viertel der Beschäftigten hat mehr Rückenbeschwerden

as Homeoffice sorgt nicht nur für positive Effekte und einen besseren Schutz in der Pandemie: Für viele Beschäftigte entstehen durch die dauerhafte Tätigkeit zu Hause auch Gesundheitsrisiken. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage für die DAK-Gesundheit bewegen sich im Homeoffice 44 Prozent der Befragten „deutlich weniger“ als früher. Ein Drittel der Beschäftigten hat mindestens drei Kilogramm zugenommen – bei sieben Prozent waren es sogar mehr als fünf Kilogramm. Bewegungsmangel und Gewichtszunahme bleiben nicht folgenlos: 32 Prozent klagen über etwas oder sogar deutlich häufigere Rückenbeschwerden.

Für die aktuelle DAK-Studie wurden im Februar 2021 rund 2.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Forsa-Institut befragt, die mehrmals pro Woche im Homeoffice arbeiten. „Die Arbeit zu Hause hat in der Pandemie viele Vorteile. Doch jetzt zeigt unsere Umfrage auch ernsthafte Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Häufig verstärkt sich ein ungesunder Lebensstil. Das Homeoffice macht viele Menschen zum Bewegungsmuffel.“ Die Folge seien Gewichtszunahme und mehr Rückenbeschwerden. Zusätzlich steige das Risiko für chronische Erkrankungen. „Da viele Beschäftigte auch nach Corona weniger im Büro arbeiten werden, müssen wir einen stärkeren Fokus auf die Gesundheit im Homeoffice legen“, fordert Storm. „Wir brauchen eine kluge Aufklärung über die drohenden Risiken und passende Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Das Homeoffice darf nicht zur Bewegungsfalle werden.“ Für Beschäftigte sei auch wichtig, im persönlichen Bereich zu prüfen, wie sich der Tagesablauf aktiver gestalten lässt.

Im Homeoffice bewegen sich 71 Prozent der Beschäftigten weniger

In der Studie der DAK-Gesundheit sagen 71 Prozent der Befragten, dass sie sich im Homeoffice weniger bewegen als vor der Pandemie – davon war es bei 44 Prozent sogar „deutlich weniger Bewegung“. Gründe: Gut die Hälfte (54 Prozent) der Befragten haben bei Transportaktivitäten weniger Bewegung. So falle der Fuß- oder Radweg zur Arbeit weg. Bedingt durch die Pandemie seien Einkäufe und Besuche im privaten Umfeld auch seltener. Ein Drittel berichtet, dass Alltagsaktivitäten wie Spazierengehen, Haus- und Gartenarbeit oder Treppensteigen weniger werden. Auf die Frage nach Strategien, um den Bewegungsmangel auszugleichen, gibt nur jeder und jede Zweite an, regelmäßig bewusst das Sitzen zu unterbrechen.

WHO empfiehlt 150 Minuten körperliche Aktivität pro Woche

Geringe körperliche Aktivität im Alltag verbunden mit langem Sitzen hat nach den aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Auf lange Sicht kann ein bewegungsarmer sitzender Lebensstil zu chronischen Erkrankungen führen. Die WHO empfiehlt ein Minimum von 150 Minuten körperlicher Aktivität pro Woche, um das Risiko auszugleichen.

Laut DAK-Studie möchten 46 Prozent aller Befragten in Zukunft auch nach Corona mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice arbeiten.