Gesetzliche Rentenklauseln schützen Rentner in der Corona-Krise

Rentner können sich freuen. Der Gesetzgeber hat 2009 und 2018 in die Rentenformel eingegriffen und so die Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern und Rentnern in Krisenzeiten verändert

Die Rentner in den alten Bundesländern müssen sich nach den Prognosen der Bundesregierung wegen der Corona-Pandemie auf eine Nullrunde im kommenden Jahr einstellen. In den neuen Bundesländern ist jedoch wegen des Gesetzes zur Anpassung des Rentenniveaus mit einem leichten Plus von 0,7 Prozent zu rechnen, wie es in dem am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligten Rentenbericht heißt.

Wie kann das sein?

Kurz gesagt: Rentner kommen glimpflich durch die Krise. Arbeitnehmern droht mittelfristig ein Beitragsschub. Die Renten folgen den Löhnen. So lautet die Grundformel des deutschen Rentensystems.

Ruheständler sollen damit an den wirtschaftlichen Fortschritten angemessen beteiligt werden. Gleichzeitig setzte sich mit den Rentenreformen der jüngeren Vergangenheit die Erkenntnis durch, dass eine faire Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern geboten ist. Diese Austarierung geht derzeit gerade ein Stück weit verloren.

Schutzklausel verhindert Kürzung

Im laufenden Jahr verringern sich die durchschnittlichen Pro-Kopf-Bruttolöhne nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gegenüber dem Vorjahr vor allem wegen der weit verbreiteten Kurzarbeit voraussichtlich um ein Prozent. Aus diesem Rückgang der Löhne und einer gleichzeitig geringeren Zahl von Beitragspflichtigen in Relation zu den Rentenbeziehern ergäbe sich rechnerisch eine Rentenkürzung.

Allerdings führte der Gesetzgeber bereits 2009 eine Schutzklausel ein, die verhindert, dass der Rentenwert sinkt. Das zusammengenommen hat zur Folge, dass die Renten in den alten Bundesländern 2021 voraussichtlich keine Erhöhung erfahren. Im Osten des Landes gibt es eine leichte Steigerung um 0,72 Prozent. Sie resultiert aus der Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West.

Keine spätere Verrechnung mehr

Die Schutzklausel, die in der Gesellschaft weitgehend auf Verständnis stößt, war bis 2018 von einer ergänzenden Regelung flankiert. Bis zu diesem Jahr summierten sich unterbliebene Rentenkürzungen zum sogenannten Ausgleichsbedarf. Er wurde anschließend wieder abgeschmolzen, indem sich Rentenerhöhungen laut Rentenformel in den Folgejahren nur zur Hälfte in den tatsächlichen Renten niederschlugen. So lange, bis der Ausgleichsbedarf getilgt ist. Das regelte der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenformel, der Beitragszahler entlasten und die Anbindung der Rente an die Lohnentwicklung aufrechterhalten sollte.

Zusammen mit der Einführung der Haltelinien für den Beitragssatz und das Rentenniveau legte die Große Koalition 2018 allerdings fest, dass bis zum 30. Juni 2026 kein neuer Ausgleichsbedarf entstehen darf. Eine 2021 unterbliebene Rentenkürzung darf also 2022 nicht mit der dann zu erwartenden Erhöhung verrechnet werden. Damit ist die Austarierung zwischen Beitragszahlern und Rentnern außer Kraft gesetzt.

Statistischer Effekt löst sich in Luft auf

Zugleich bleibt in dieser Situation ein statistischer Einmaleffekt unberücksichtigt. Durch eine Änderung der Lohnstatistik wäre in Normalzeiten die Rentenerhöhung 2021 deutlich geringer ausgefallen. Dass dies ausgerechnet im Bundestagswahljahr geschehen könnte, bereitete den Rentenpolitikern der Regierungsparteien bereits vor Corona einige Kopfschmerzen. Durch das zeitliche Zusammentreffen dieses Effekts mit Krise und Garantieklausel löst er sich in Luft auf.

Die Rentner müssen daher, anders als viele Arbeitnehmer, kaum Belastungen schultern. Nach der Beinahe-Stagnation im kommenden Jahr winken 2022 dann den bisherigen Prognosen zufolge ein Plus von 4,8 Prozent im Westen und eine Erhöhung von 5,6 Prozent im Osten. Ohne die Sonderklausel würde die Steigerung nur zwischen zwei und drei Prozent liegen.

Arbeitnehmer müssen Lohneinbußen und höhere Beiträge tragen

Die Kehrseite der Medaille: Die geringeren Beitragseinnahmen im Gefolge der Pandemie beschleunigen das Abschmelzen der Reserven. Bis 2022 finanziert die Rentenversicherung die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen aus der sogenannten Nachhaltigkeitsrücklage. Ab 2023 ist sie dann soweit aufgebraucht, dass die Beiträge von bislang 18,6 Prozent voraussichtlich auf 19,3 Prozent erhöht werden müssen. Das ist mehr, als in der Zeit vor der Corona-Krise erwartet. Zu den Lohnausfällen, die Arbeitnehmer während der Pandemie erleiden, kommen dann noch höhere Rentenversicherungsbeiträge.


Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge (DIA)