Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Die Ignoranz der Ohnmacht

Während die Bürger immer größere Not leiden, gönnen sich die Berliner immer mehr Luxus. Gedankenmacher in DNEWS24.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: die Inflation ist auf 10 % gestiegen. Butter kostet heute 58 % mehr als vor einem Jahr, Gas 410 %, Strom 21 %.  Die Mieten steigen in den Gebieten, wo es Arbeitsplätze, Ärzte und Kultur gibt, ins Unermessliche. Trotz einer Rentensteigerung im Westen um 5,35 % und im Osten um 6,12 % im Sommer 2022, sind die Real-Renten der älteren Bürger in unserem Land gesunken. Gleiches gilt für die Löhne, denn die Lohnsteigerungen 2022 waren in diesem Jahr wesentlich niedriger als die Preissteigerungen Der Kaufkraftverlust ist real. Viele Bürger müssen sich zwischen einer (warmen) Wohnung und einem vollen Bauch entscheiden. Sparen – für die Altersvorsorge – können viele Deutsche schon lange nicht mehr.

Aktuell sind nur noch 29 % der Bürger mit der Arbeit der Ampel-Koalition sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden (-2); 68 % sind damit weniger oder gar nicht zufrieden (+/-0). Nur noch die Hälfte (51 %) der Deutschen ist aktuell mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, zufrieden – das sind 13 Punkte weniger als im Oktober 2020.

Jede einzelne dieser Zahlen sollte genügen, die Spitzen-Politiker der Bundesregierung zum Nachdenken zu bringen. Nur leider ist das nicht so.

Im Gegenteil leistet sich die Ampel-Regierung einen Fauxpas nach dem anderen.

Statt alles zu tun, um die Strom-Produktion zu erhöhen und durch ein größeres Angebot die Preise zu senken, werden stromproduzierende Kraftwerke abgeschaltet. Lieber importiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Strom aus den AKW in Frankreich und Tschechien. Statt das Klima zu schützen, wofür die Grünen doch gewählt wurden, werden Kohle-Kraftwerke reaktiviert. Die Steinkohle zum Befeuern der Kraftwerke wird teuer und umweltschädlich aus den USA, Australien und Kolumbien importiert. Braunkohle wird noch bis 2038 in Deutschland abgebaut.

Die Verbraucher, die ihre Wohnungen mit Gas heizen, sollen durch einen Gaspreis-Deckel entlastet werden. Dumm nur, dass dieser Gaspreis-Deckel erst am ENDE der Heizperiode greifen soll. Mal sehen, wie viele Bürger dieses Ende noch erleben. Gleiches gilt für viele Unternehmen, die nicht bis März/April 2023 auf Hilfen des Staates warten können.

Das Nachfolge-Modell für das 9-Euro-Ticket soll 49,00 im Monat kosten. Das ist ein Preis, der für viele arme und altersarme Bürger unerschwinglich ist. Ein Rentner, der etwa 1.100 Altersversorgung erhält, wird sich dreimal überlegen, ob er Butter und Brot oder ein 49-Euro-Ticket kauft, um mal einen Ausflug zu machen.

Die Spitzen-Politiker in Berlin haben ihr ganz eigenes Mobilitätsmodell. Bundesminister fahren die Spitzen-Luxuskarossen von AUDI, BMW und Mercedes. Oft haben sie sogar zwei persönliche Dienstwagen zur Verfügung. Bundestagsabgeordnete haben in Berlin einen eigenen Fahrdienst und verfügen über eine Bahncard 100 1. Klasse zum Preis von 7.100 Euro. Auf den bürgernahen ÖPNV ist also keiner unserer Volksvertreter angewiesen.

Die Bundesregierung lässt mehr als 750 Millionen FFP-2-Masken vernichten, weil deren Haltbarkeitsdauer abgelaufen ist. Niemand – weder Sozialminister Heil noch Gesundheitsminister Lauterbach – ist auf die naheliegende Idee gekommen, die teuren Masken an die Bürger zu verteilen.

Während also viele Bürger in Deutschland nicht wissen, wie Sie ihre Strom- und Gas-Rechnungen bezahlen sollen oder die Miete, gibt Bundeskanzler Olaf Scholz den Startschuss für den Erweiterungs-Bau des Kanzleramtes. Für 777 Millionen Euro werden die Bäume des Kanzlergartens gefällt, 400 Büros inklusive eines Sonnenschutzes der geplanten Wintergärten errichtet. Dazu gibts einen schrecklich-hässlichen Landeturm für Helikopter, einen Kindergarten für 15 Kinder und eine weitere Kanzler-Wohnung mit 250 Quadratmetern. Diese zusätzliche Wohnung – der Kanzler hat ja schon eine Wohnung im jetzigen Hauptgebäude des Kanzleramtes – soll für satte 225.000 Euro mit Sofas, Schrankwänden und Lampen ausgestattet werden. Laut Kosten-Planung wird der Erweiterungsbau des Kanzleramtes pro Quadratmeter mehr als doppelt so teuer wie das Humboldt-Forum in Berlin und fünfmal so teuer wie der Neubau des Bundesinnenministeriums. Wenn nun wenigstens das Erscheinungsbild des Neubaus wesentlich ansehnlicher als das bisherige Kanzleramt wäre. Ist es aber nicht. Schon das bisherige Kanzleramt kann nicht für sich beanspruchen, architektonisch repräsentativ oder ästhetisch zu sein. Es ist allerdings so hässlich, dass man den Blick kaum abwenden kann und sich unwillkürlich fragt, wer sich eine solche unsägliche Kombination aus Formen und Material ausdenkt. Und welcher Bauherr so etwas genehmigt.

Karl Lauterbach mahnt zur Corona-Vorsicht. Die Stadt Berlin will eine Masken-Pflicht für Innenräume. Im ÖPNV und bei der Deutschen Bahn gilt die FFP-2-Maskenpflicht. Nicht so für den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Auf seinem Weg zum Bürger-Dialog nach Neustrelitz nahm er die Maske im Regionalexpress ab, ließ sich ohne Maske fotografieren und interviewen. Gibt sich Steinmeier zerknirscht, entschuldigt er sich für seinen Fauxpas? Weit gefehlt, ein Foto und ein Interview hält er als Begründung für seinen Fehltritt für ausreichend.

Abgehobener und eingebildeter gehts nicht mehr. Oder doch? Warten wir ab, was die nächste Woche bringt.

P.S. Warum Ohnmacht? Nun, der Bundespräsident kann nicht entscheiden, er übt Macht aus durch das Wort. Herr Steinmeier hat aber nichts zu sagen. Und der Bundeskanzler? Er trianguliert zwischen seiner SPD und deren Flügeln, den Grünen und der FDP. Er kann nur – in seinem Sinn – erfolgreich sein, wenn er nicht auffällt. Außerdem plagt ihn noch die Cum-Ex-Affäre, da bleibt per se wenig Muße für Führungskraft. Pech gehabt, Deutschland.

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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