Fridays gegen Altersarmut: sind demonstrierende Rentner  Nazis?

Altersarmut ist ein Fakt. Besorgte Bürger, die sich nicht mit Altersarmut abfinden wollen, in die rechte Ecke zu stellen, spricht nicht für unsere Debatten-Kultur. Meint Sascha Rauschenberger.

Demographie ist keine Raketen-Wissenschaft. Sie hat nichts mit Alchemie zu tun. Noch weniger mit Zufall, unglücklichen Spontanumständen oder gar unvorhersehbaren Ereignissen. Veränderungen in demographischen Gegebenheiten zeichnen sich mit einer Vorwarnzeit von bis zu 30(!) Jahren ab. Also durchschnittlich 26 Jahre länger als eine Legislatur-Periode dauert. Und wer in den dann unbetrachtet gelassenen 26 Jahren dauerhaft, wiederholt und wenig intelligent falsch, zusammenhanglos und nicht ganzheitlich zu handeln gewillt ist, hat dann am Ende dieser Zeitspanne ein Problem. So wie wir nun. Es droht für immer mehr Menschen Altersarmut.

Dass das Thema Demographie und ihre gesellschaftlichen Folgen nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Nachbarn in Frankreich aktuell ist, zeigen die anhaltenden Bürgerproteste dort, die bisweilen immer gewalttätiger zu eskalieren scheinen. Ein Indiz dafür, was auch hier noch kommen könnte, wenn die gefühlte Not erst mal groß genug ist.

Das wird auch unseren Politikern zunehmend klarer. Die Zahl von bis zu elf (11!) Millionen Rentnern in der Altersarmutsfalle geistert durch die Medien, die das aber nur punktuell beleuchten. Und dies, obwohl alle Indikatoren darauf hindeuten, dass gerade für Senioren in Ballungsgebieten die Luft immer dünner wird. Besonders dann, wenn ein Ehepartner verstirbt und die Rente dann noch weiter fällt.

Die Gründe für die Zunahme der Gefahr von Altersarmut sind allgegenwärtig und verstärken sich sogar gegenseitig noch. Dies gilt nicht nur für Rentner, sondern für alle:

  • sinkendes Rentenniveau bei gleichbleibenden/steigenden Lebenshaltungskosten;
  • Kopplung der Rente an Lohnkosten, die in den letzten fünfzehn Jahren aber stagnierten; verstärkt durch die Ausdehnung des Billiglohnsektors seit der Agenda 2010;
  • sukzessive Vollversteuerung der Rente;
  • Mietfalle in Ballungsgebieten durch versäumte oder verschleppte Baumaßnahmen. Wachsende Wohnungsnot auch durch z.B. Migration;
  • Niedrigzinspolitik der EZB und damit Wegfall der Zins-und-Zinseszinsentwicklung für private und betriebliche Altersvorsorge;
  • Besteuerung von Erträgen aus Aktien-Anlagen;
  • überdurchschnittlich steigende Lebenshaltungskosten bei Grundnahrungsmitteln (siehe z.B.: Milchprodukte);
  • steigende Energiekosten hier vor allem die Zins-und-Zinseszinswirkung der EEG-Umlage zur Finanzierung des Atomausstiegs, des Kohleausstiegs und der Klimasteuer auf Energie;
  • Konkurrenz der unterversorgten Leistungsempfänger/Bedürftigen und damit einhergehende Verdrängungseffekte in/bei nichtstaatlichen Hilfsorganisationen zu Lasten Schwächerer, die somit noch weniger Geld zur Verfügung haben (Sozialdarwinismus; DIE TAFELN);
  • zusätzliche Steuern wie z.B. die Erhöhung der Grundsteuer, die das mietfreie Wohnen im Alter ad absurdum führen könnte;
  • das Nichterreichen von 45 Beitragsjahren der Rentenversicherung durch eine zu oft unterbrochene Erwerbsvita, was gerade alleinerziehende Mütter, allein pflegende Familienangehörige („Sorgearbeit“), Arbeitslose und gesundheitlich Eingeschränkte betrifft;
  • frühzeitige Entlassung aus dem Berufsleben ohne Chance auf Wiedereinstellung allein aufgrund des Alters (ein Aspekt, der völlig untergeht!);
  • Frühzeitige Entlassung / Wegfall der Berufsaussichten durch die Digitalisierung;
  • konjunkturelle Delle.

In der o.a. Liste findet fast jeder von uns einen Punkt, der ihn persönlich betreffen wird. Und das hoch bis in das, was als gutbürgerlicher Mittelstand sich vor nicht allzulanger Zeit sicher fühlen konnte. Wo eine mögliche Altersarmut nie ein Thema war.

Jetzt sollte man meinen, dass die Medien zumindest den Ernst der Lage begreifen, doch stattdessen beginnen einige damit, jetzt die Fridays gegen Altersarmut –Bewegung in die rechte Ecke zu drücken. Besorgte Bürger mit Existenzängsten werden als Nazis etikettiert. Rechtsextreme Demonstranten.

Es war schon immer schlimm, alle Menschen, die nicht links genug sind, Kritiker und Mahner, als Nazis zu verunglimpfen. Die Nazikeule als wohlfeiles Instrument gegen Andersdenkende zu schwingen. So sogar die wirklichen Nazis von einst, die Millionen Menschen umgebracht haben, mit Bürgern gleichzusetzen, die auf demokratischem Boden standen und stehen. Der Begriff NAZI wird durch ideologische Dauerverblendung verballhornt und moralisch nivelliert. Wenn jeder andere gleich ein Nazi (und Faschist) ist, werden die Millionen Genozidopfern verhöhnt, verunglimpft und auch verraten.

Nazi zu nennen, wer Klimakritiker, Migrationskritiker oder auch besorgter Bürger ist, der Angst um seine Altersexistenz hat, ist nicht nur perfide. Es ist schlicht asozial.

Auch der Vorwurf, der wohl berechtigt ist, dass zunehmend rechte Parteigänger das Problem der Altersarmut – nach Euro und Migration – nun für sich entdecken, vermag eben nicht die Nazi-Diffamierung zu rechtfertigen. Das Thema ist seit 30 Jahren(!) virulent. Warum gab es denn immer wieder kleine Korrektur-Reformen des Renten-Systems? Eine grundlegende Renten-Reform, eine zeitgemäße Anpassung des Generationen-Vertrages unter demographischen Gesichtspunkten fand aber eben nicht statt. Die Regierungen meinten das Problem ignorieren zu können oder gar zu dürfen. Und das waren durch die Bank die Politiker, die es jetzt immer noch nicht sehen wollen. Sie hatten alle Chancen politisch gestaltend, rechtzeitig und ganzheitlich wirken zu können. Sie taten es aber nicht. Oder nur ungenügend. Konterkarierten mit Null-Zinspolitik (bald auch Negativzinsen) auch die propagierte und geforderte private Altersvorsorge der Menschen. Vernichtet seit zehn Jahren ihre Ersparnisse und freut sich über eine staatliche Haushaltsnull.

Könnte es sein, dass der besorgte Bürger mit Existenzangst nur deshalb als Nazi diffamiert wird, weil er bald rechnerisch die absolute Mehrheit der Wähler stellen wird? Verzweifelte Bürger die Gelegenheit nutzen könnten, bei Wahlen Verantwortliche abzustrafen? Politiker nun ihre Felle wegschwimmen sehen? Gerade auch für die nächsten Bundestagswahlen?

Wenn diese Bewegung für ein würdevolles Leben im Alter rechte Geister anzieht, dann nur, weil man ihnen die Bühne überlassen hat. Kampflos. Und nun auch durch kollektive Diffamierung fördert. Menschen ignoriert, die den Wohlstand aufgebaut haben, der gerade verspielt wird. Menschen, die für all das gearbeitet haben, was andere mit vollen Händen verprassen und ihr Eigen glauben nennen zu dürfen. Dabei spielt es schon gar keine Rolle, dass rechte Parteien – auch die AfD – gar kein Renten-Konzept haben und somit keine Lösung anzubieten haben.

Kritische Bürger politisch und medial immer wieder als Nazis zu diffamieren hat nichts gebracht. Im Gegenteil: es hat eine wohl dauerhafte Spaltung der Gesellschaft gefördert. Unsere Debattenkultur kriselt.

Auf Facebook hat es die Gruppe „Fridays gegen Altersarmut“ innerhalb von ein paar Monaten auf über 300.000 Follower geschafft (aktuell: 309.427). Über 3.000 Beiträge und Kommentare pro Tag sind die Regel. Fridays for Future hat bei Facebook noch nicht mal 100.000 Follower…

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