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Equal Pay: Die Entwicklung der Arbeitszeiten treibt die Ungleichheit der Erwerbseinkommen

Eine DIW-Studie untersucht, worauf steigende Ungleichheit der Erwerbseinkommen zurückgeht – Verschiebungen bei der Arbeitszeit und Diskrepanz zwischen gewünschtem und tatsächlichem Erwerbsumfang sind Treiber – Flexiblere Arbeitszeiten und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nötig.

Die monatlichen Bruttoerwerbseinkommen der Beschäftigten in Deutschland waren im Jahr 2018 deutlich ungleicher verteilt als 1993. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, geht der Anstieg allerdings nicht in erster Linie auf ungleichere Stundenlöhne zurück, sondern auf die Entwicklung der Arbeitszeit und besonders darauf, wie diese mit den Stundenlöhnen zusammenhängt. Demnach arbeiten Beschäftigte mit hohen Stundenlöhnen im Vergleich zu Beschäftigten mit geringen Stundenlöhnen heute mehr Stunden pro Woche als früher. In vielen Fällen deckt sich die gewünschte Arbeitszeit nicht mit der tatsächlichen, zum Beispiel bei Müttern, die im Durchschnitt deutlich weniger Stunden erwerbstätig sind als sie eigentlich möchten. Gutverdienende wiederum arbeiten tendenziell mehr Stunden als gewollt. Hätten alle Beschäftigten genau so viel oder wenig arbeiten können wie gewünscht, wäre die Ungleichheit der Erwerbseinkommen in den vergangenen 25 Jahren nur halb so stark gestiegen.

„Viele Beschäftigte arbeiten ungewollt zu wenig oder zu viel – das ist sowohl aus Wohlfahrtsperspektive als auch sozialpolitisch problematisch“, erklärt Carsten Schröder, Mitglied des Direktoriums des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im DIW Berlin. „Dass beispielsweise Mütter häufig unterbeschäftigt sind, deutet darauf hin, dass die nicht hinreichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor die beruflichen Perspektiven und Karrierewege von Müttern einschränkt.“

Veränderungen in der Erwerbsbevölkerung spielen nur eine untergeordnete Rolle

Für die Studie hat Schröder gemeinsam mit Mattis Beckmannshagen von der Freien Universität Berlin SOEP-Daten der Jahre 1993 bis 2018 ausgewertet. In ihrer Untersuchung nutzten sie ein spezielles Ungleichheitsmaß, die mittlere logarithmische Abweichung. Diese erlaubt es, die Entwicklung der Ungleichheit in drei Teile zu zerlegen: Stundenlöhne, Arbeitszeit und den Zusammenhang von beiden. Die Berechnungen ergaben, dass etwa 15 Prozent der bis 2018 im Vergleich zu 1993 gestiegenen Ungleichheit der Erwerbseinkommen auf die zunehmende Ungleichheit der Stundenlöhne zurückzuführen sind. 40 Prozent resultieren aus der zunehmenden Ungleichheit der Arbeitszeiten und 45 Prozent sind im wachsenden Zusammenhang von Stundenlohn und Arbeitszeit begründet.

Beschäftigte mit hohen Stundenlöhnen arbeiten im Vergleich zu Beschäftigten mit niedrigen Stundenlöhnen heute mehr als früher. Dies liegt vor allem daran, dass im unteren Lohnquintil – also bei den 20 Prozent der Beschäftigten mit den geringsten Stundenlöhnen – die durchschnittliche Arbeitszeit zwischen 1993 und 2018 deutlich gesunken ist. Dadurch wird die Ungleichheit der Erwerbseinkommen deutlich erhöht. Dass sich die Erwerbsbevölkerung im Untersuchungszeitraum verändert hat, spielt hingegen kaum eine Rolle: Sowohl den höheren Anteil erwerbstätiger Frauen als auch den Anstieg der Beschäftigten im Dienstleistungssektor konnten die Studienautoren in ihrer Berechnung isolieren – fast ohne Effekt auf die Ungleichheit der Erwerbseinkommen.

Die Brückenteilzeit ist ein guter erster Schritt zu mehr Arbeitszeitflexibilität

Der Haupttreiber für die Ungleichheit der Erwerbseinkommen sind also die Arbeitszeiten und die systematischen Unterschiede zwischen gewünschtem und tatsächlichem Erwerbsumfang. Ein Ansatzpunkt sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etwa indem die Kinderbetreuungsangebote noch mehr an den Bedarfen der Beschäftigten ausgerichtet werden, so die Studienautoren. Auch flexiblere Arbeitszeitmodelle gehörten auf die Agenda. „Mit der sogenannten Brückenteilzeit hat die Politik bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht“, sagt Beckmannshagen. Beschäftigte größerer Unternehmen können temporär ihre Arbeitszeit reduzieren und haben einen gesetzlichen Anspruch, später in ihren Vollzeitjob zurückzukehren.

Doch auch die Arbeitgeber seien am Zug: „Wenn Beschäftigte arbeiten können wie gewünscht, dann sind sie in der Regel motivierter und produktiver – das sollte eigentlich im ureigenen Interesse von Unternehmen sein“, so Schröder. Eine Hürde sind die Minijobs mit ihren Verdienstgrenzen, die beispielsweise durch die Anhebung des Mindestlohns künftig mit noch weniger Arbeitszeit erreicht werden. Hier wären Reformen nötig, die von der Beschränkung von Minijobs auf Gruppen wie SchülerInnen und StudentInnen bis hin zur kompletten Abschaffung reichen können.

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