Ein Land, in dem wir gern und gut leben (?)

Gewiss leben wir in Deutschland in relativer Sicherheit und vergleichbar hohem Wohlstand. Es verbreitet sich aber das Gefühl, als sei unser Land nicht so toll, wie uns Politiker einreden wollen.

Schon 2017 war der Wahlkampf zum Bundestag fade und inhaltsleer. SPD, Grüne, FDP und Linke machten irgendwas mit Freiheit und Gerechtigkeit, die AfD spielte die Flüchtlings-Karte. Und die CDU plakatierte den Slogan „Für ein Land, in dem wir gern und gut leben!“. Das war es dann auch schon mit den Inhalten. Wer nachfragte erhielt die Antwort, alles bleibt, wie es ist, läuft doch. So zum Beispiel in der Renten-Politik. Das war damals schon nicht richtig und seitdem muss der Bundeshaushalt – also wir, die Steuerzahler – jährlich 100 (!) Milliarden Euro aufbringen, um die Finanzierung der Renten zu sichern. Denn das Umlageverfahren aus den neunzehnhundertfünfziger Jahren funktioniert mathematisch aus demografischen Gründen längst nicht mehr.

2021 ist da etwas unterhaltsamer. Es kämpfen drei Kanzler-Kandidaten um das große Büro im 7. Stock des Bundeskanzleramtes. Darunter einer, den die eigne Partei nicht für werthielt, Vorsitzender zu werden, eine Kandidatin mit gefälschtem Lebenslauf, zweifelhaftem Umgang mit Geld und einem Buch voller Plagiaten und schließlich einem Kandidaten, der vor Feixen nicht an sich halten kann angesichts des Leids der Flutopfer in seinem Bundesland.

Aber wo bleiben die Inhalte? Klar, es gibt Wahl-Programme, denn in den Parteien will ja jeder ein Amt bekleiden. Und wer schon nicht Schatzmeister oder Schriftführer werden darf, der kommt wenigstens in die Programm-Kommission. Aber wer liest schon 150 Seiten Wahl-Programm?

Nun ist das Leben in Deutschland aber nicht nur Wahlkampf. Im normalen Leben leiden die Bürger nicht nur an der inhaltslosen Sprach- und Tatenlosigkeit der Politik, sondern auch und vor allem unter einer vielfach an Unfähigkeit grenzenden, ausgezehrten und geldverschleudernden Verwaltung, an lahmendem Internet an dem das IoT spurlos vorübergeht, an Brücken und Straßen, die kurz vor dem Zusammenbruch stehen, an niedrigen Einkommen und schmalen Renten bei rasant steigenden Mieten und explodierenden Energiepreisen.

Unsere Gesellschaft ist nach 16 Merkel-Jahren so gespalten, wie nie. In Stadt und Land, Ost und West, Jung und Alt, arm und reich, Nicht an allem ist Frau Merkel schuld. Aber ihr Anspruch der Alternativlosigkeit ihres Handelns hat selbst innovative Kritiker zermürbt. Dieses autoritäre Gehabe der Bundeskanzlerin hat die politischen Ränder – vor allem auf der rechten Seite – entstehen und erstarken lassen. Frau Merkel sucht sich ihre Themen aus und sagt dann auch etwas zu diesen Themen. Sonst schweigt sie und lässt die Dinge treiben. Nur ein Beispiel: wo war die tiefe Empörung der Bundeskanzlerin bei den vielen Kindesmissbrauchs-Fällen, die in den letzten Jahren aufgedeckt wurden?

Immer öfter werden Mitarbeiter von Rettungskräften Opfer gewalttätiger Angriffe. Bei Unfällen behindern Gaffer die Rettung von Menschenleben. Gestern wurde bekannt, dass freiwillige Helfer (auch des THW) in den Flutgebieten in Westdeutschland angepöbelt und angegriffen werden. Mir ist echt egal, ob das nun Anhänger der mir sowieso unsympathischen Querdenker-Szene waren. Es ist eine SCHANDE für uns als Gesellschaft, dass überhaupt irgendjemand auf die Idee kommt, so etwas zu tun und sich davon entweder einen politischen Vorteil oder Freude verspricht.

Ist das am Ende der Regierungs-Zeit von Angela Merkel wirklich das Land, in dem gern und gut leben können?

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“