Die bürgerliche Mitte antwortet nicht auf Hetze und Mord

Halle, Hanau und noch viel mehr. Wann wacht die bürgerliche Mitte auf? Fragt Uwe-Matthias Müller.

Einige Tage ist es her, dass ein Mann im hessischen Hanau 10 Menschen und sich selbst getötet hat. Er war gebildet und in die Gesellschaft in Hanau integriert. Ein Bekennerschreiben legt nahe, dass als Motiv für seine Tat Fremden-Hass vermutet werden muss. Tobias Rathjen, so der Name des Massen-Mörders, soll rechtsradikal gewesen sein.

Wie kommt ein Mensch dazu, eine derartig grausame Tat zu begehen? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass der Wahlkampf-Slogan der CDU 2017 „Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben.“ für mich immer absurder klingt. Ist Deutschland 2020 noch das Land des Sommermärchens von 2006? Oder das Land der Friedlichen Revolution von 1989? Ist Deutschland noch mein Land?

5 linksradikale Gefährder, 60 rechtsradikale, 660 (!) islamistische Gefährder zählt das Bundeskriminalamt. Für eine lückenlose Überwachung aller erkannten Gefährder verfügt Deutschland nicht über genügend Polizei. Verhaftungen, Abschiebungen finden zu oft nicht statt. Jetzt wird reflexartig nach neuen Gesetzen gerufen. Wäre es nicht besser, erstmal die bestehenden Gesetze durchzusetzen?

Gerichte halten es für zulässig, dass wildgewordene Wutbürger Politiker(innen) auf das Ordinärste und Unflätigste beschimpfen. Öffentlich, im Internet. Was denken wohl die Kinder, die Enkel der Betroffenen, wenn sie diesen Wort-Shit lesen?

Autos, Büros von Politikern werden angegriffen, beschmiert, angezündet. Es gibt Politiker, die sich selbst bewaffnen, aus Angst. Andere hören einfach auf.

Es scheint, als fallen in Deutschland gerade viele Schranken. Während die politischen Ränder immer stärker werden und die bürgerliche Mitte, die öffentliche Ordnung, der Gemeinsinn immer mehr erodieren, tut die bürgerliche Mitte – NICHTS.

Wenn das so weitergeht, wird die Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dunkel enden. Wenn die Bundeskanzlerin nicht will, dass ihre lange Regierungs-Zeit mit der durch die Nullzins-Politik der EZB verursachten Entsparung des Mittelstandes, mit der Verschleppung dringend-überfälliger Reformen der Rente, den verpassten Chancen der Energie-Wende und der Digitalisierung UND einem tiefen Riss in der Gesellschaft unseres Landes identifiziert wird, dann muss sie JETZT endlich handeln und intellektuell-moralisch führen.

Noch viel länger – seit 2000 – war Frau Merkel Bundes-Vorsitzende der CDU. Davor war sie Generalsekretärin der Partei. Heute ist das gesellschaftliche Klima in unserem Land vergiftet. Das sagt niemand Geringeres als Wolfgang Schäuble. Er hat Recht. Gewiss ist es nicht nur die Schuld von Frau Merkel, dass in Deutschland ein vergiftetes Klima herrscht. Aber wer so lange so hohe Verantwortung trägt muss sich fragen lassen, welchen Anteil er an den real existierenden Zuständen in unserem Land trägt.

Wir brauchen dringend einen Regierungs-Chef, der nicht nur von Demoskopie inspiriert unser Land verwaltet. Die jetzige Bundesregierung verteilt Steuergeschenke, die schon sehr bald nicht mehr finanzierbar sein werden. Mir wird Angst und bange um unser Land bei der Vorstellung, welch irrationale Verzweiflung, ja begründete Wut entstehen kann, wenn die Bürger einmal erfassen, wie gravierend sich in guten Zeiten versäumte  Reformen auswirken und wie schmerzhaft verspätete aber unvermeidbare Reformen in schlechten Zeiten werden. Angela Merkel hatte sehr recht als sie jüngst sagte, es sei kein Naturgesetz, dass die CDU den nächsten Bundeskanzler stellt oder überhaupt in der Regierung ist. Das gilt noch viel mehr mehr für den übernächsten Bundeskanzler oder die übernächste Bundesregierung.

Die Wähler der AfD sind nicht alle rechtsradikale Terroristen. Nicht alle Wähler der Linke finden, dass im Unrechtsstaat DDR alles besser war als im heutigen Deutschland. Diese Wähler müssen für die bürgerliche Mitte zurückgewonnen werden.

Ein paar Tausend Bürger bei Mahnwachen nach Hanau sind zu wenig. Annalena Baerbock und Katrin Göring-Eckardt, FDP-Chef Christian Lindner und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil waren am Brandenburger Tor. Mir fehlen da prominente Namen. Wo aber bleibt der kollektive Aufschrei der Bürgerschaft, der spürbare Ruck in unserer Gesellschaft?

Mir scheint, als läge ein dumpfer Mehltau über unserem Land.

Wenn es die Politiker in Berlin nicht schaffen, müssen eben andere her. Wir, die Wähler, haben es in der Hand. One Man, one Vote! Lassen wir uns unsere Heimat weder von zaudernden, lediglich auf eine Legislatur-Periode fixierten Politikern, noch von irren und verhetzten Wutbürgern kaputt machen. Es muss Schluss sein mit der Schwüle in unserem politischen System und dem aggressiv-rücksichtslosen Umgang miteinander.

Hanau darf sich nie mehr wiederholen.

DER KLIMAWANDEL IST DA!

Der Klimawandel ist spürbar. Im Sommer durch extreme Hitze und Dürre. Und auch im gesellschaftlichen Diskurs in unserem Land. Meint Uwe-Matthias Müller.

WORTE SIND WAFFEN.

Schneller, brutaler, spaltender – die Wortwahl im öffentlichen Diskurs entlarvt viel über unsere Gesellschaft. Ein D-Talk mit Dr. Stephanie Robben-Beyer über die Debatten-Kultur in unserem Land.