COVID19: Prof. Wieler und seine Forschungslemminge im RKI

Die Coronavirus-Pandemie ist noch nicht vorbei. Dennoch ist es drängend, jetzt ein paar Schwachstellen zu hinterfragen und so vielleicht auch schon Verbesserungen im Krisen-Management durchführen zu können. Eine Analyse von Sascha Rauschenberger.

Das Robert Koch-Institut (RKI) ist die Bundesbehörde, die in der Coronavirus-Pandemie maßgeblichst all das mitgestaltet hat, was wir alle zur Bekämpfung des Virus durchmachen mussten. Leider hat es sich dabei selbst für Laien wahrnehmbar ungeschickt bis zum Teil auch unfähig angestellt. Das konnte jeder sehen, wenn er auch nur ein paar dieser Statements in den vom Fernsehen live gesendeten Pressekonferenzen mitverfolgt hat. Manche schockiert die tönerne, distanzierte und bürokratische Art, wie der Leiter des RKI, Prof. Dr. Wieler, die Ergebnisse präsentierte.  Ein paar Medienberater mit gewissen Trainings und Coachings nachzuschieben und zu beauftragen wäre hier sicher gut gewesen. Zumal auch die eigene Pressechefin (Frau Susanne Glasmacher) offensichtlich ebenfalls überfordert war und weiterhin ist. Presseanfragen werden ignoriert oder ausgesessen. Überhaupt glaubt diese Behörde medientechnisch ein Alleinstellungsmerkmal zu besitzen. Auch die holprige Art, mit der das RKI seine Arbeit aufnahm, also eine anlaufende Pandemie zu bekämpfen, wirft erhebliche Fragen auf, die zu anderer Zeit gründlich aufzuarbeiten sein werden. Viel zu oft wirkte es so, als hätte sich das RKI auf eine Pandemie nicht umfassend vorbereitet. Die Forderung nach Untersuchungsausschüssen ist hier mehr als nur gerechtfertigt. Sie wirkt schon zwingend.

Professor Lothar Wieler, RKI

Selbst wenn das RKI organisatorisch und vorbereitungstechnisch nicht auf der Höhe war, auch seit Anfang Januar mit Bekanntwerden der Seuche nicht unverzüglich nachgearbeitet hat, hätte man doch erwarten dürfen, dass dann mit Ausbruch der Seuche hier zumindest die Sammlung entscheidungsrelevanter Daten valide erfolgt. Als Grundvoraussetzung für alles, was dann andere Behörden und die Regierung tun kann, sollte und auch musste. Doch gerade in diesem Bereich gibt es Diskrepanzen, die für den Bürger immer offensichtlicher werden. Ihn nun auch vermutlich auf die Straße treiben. Nicht mit Aluhut auf und Verschwörungstheotrie im Gepäck, aber mit berechtigten Fragen zu dem, was unsere Regierung uns abverlangt hat.

Hier kommt das RKI und seine „Arbeitsergebnisse“ ins Spiel, die als Grundlage dessen angesehen werden müssen, was unsere Regierung wann und wie beschlossen hat. Dass sich diese dabei ggf. zu stark auf das RKI verlassen und deren Handlungsempfehlungen nicht ausreichend hinterfragt hat, wird ihr dabei umfänglich anzulasten sein.

Das geleakte Dokument aus dem BMI lässt hier Schlimmes erahnen. Alle Daten des RKI für seine Berechnungsmodelle basieren ausschließlich auf Meldungen der Gesundheitsämter. Dies wurde von Prof. Wieler explizit mehrmals betont. Darüber berichteten wir HIER. Doch ein interessanter Punkt ist, dass Prof. Wieler, wenn er zu diesem Thema in der Öffentlichkeit spricht, nicht sagt, dass er als Abteilungsleiter MF (Methodenentwicklung und Forschungsinfrastruktur) auch explizit der fachlich originär Verantwortliche im RKI ist. Die ihm hier direkt unterstellten Bereiche/Dezernate MF1 Bioinformatik (Dr. Max von Kleist), MF 2 Genomsequenzierung (Dr. Andrea Thürmer), MF 3 Tierhaltung (unbesetzt) und MF 4 Forschungsdatenmanagement (PD Dr. Linus Grabenhenrich) sind direkt für eben diese valide Datenerhebung und Konsolidierung zuständig. Dem Autor erschließt sich hierbei fachlich nicht der Bereich MF 3 Tierhaltung in diesem Ressort. Es sieht hier fast so aus, als wenn man dem Tierarzt und Ressortleiter Wieler seine persönliche Spielwiese schaffen wollte. Aber das ist hier aber kein Thema. Jedenfalls scheint die fachliche Zuordnung von Tierhaltung in diesem Ressort sehr dubios angesiedelt.

Da die Pressestelle des RKI so freundlich war, unsere Anfrage hinsichtlich der Zuständigkeiten der einzelnen Bereiche nicht zu beantworten, bleibt nur die Logik. Und hier spielen die Bereiche Bioinformatik und Forschungsdatenmanagement eine tragende Rolle. Während Datenmanagement sich eher von selbst erklärt ist die Begrifflichkeit von Bioinformatik schwieriger zu erfassen. Bioinformatik (Wiki: HIER) „ist eine Wissenschaft, die Probleme aus den Lebenswissenschaften mit theoretischen computergestützten Methoden löst. Sie hat zu grundlegenden Erkenntnissen der modernen Biologie und Medizin beigetragen. Die Bioinformatik ist ein weitgefächertes Forschungsgebiet, sowohl bei Problemstellungen als auch den angewandten Methoden. Wesentliche Gebiete der Bioinformatik sind die Verwaltung und Integration biologischer Daten, die Sequenzanalyse, die Strukturbioinformatik und die Analyse von Daten aus Hochdurchsatzmethoden. Da Bioinformatik unentbehrlich ist, um Daten in großem Maßstab zu analysieren, bildet sie einen wesentlichen Pfeiler der Systembiologie. Der Bioinformatik wird im englischen Sprachraum oft die Computational Biology gegenübergestellt, die einen weiteren Bereich als die klassische Bioinformatik abdeckt, meist benutzt man beide Begriffe jedoch synonym.“

Daher macht die Zuordnung des Bereiches MF 2 Gensequenzierung hier durchaus einen Sinn. Genauso wie der Bereich MF 4 Forschungsdatenmanagement hier fachlich gut in einer Abteilung aufgehoben ist, die sich mit der Forschungsinfrastruktur im RKI beschäftigt. Da es sonst keine Stabsabteilung zu diesen Forschungsgesamtdaten gibt, die auch für Methoden zur Berechnung von Ausbreitung von Seuchen und deren Entwicklung maßgeblich sind, ist eben diese Abteilung MF der Engpass im System dessen, was das RKI hätte leisten sollen und müssen. An dieser Stelle ist dann auch explizit zu hinterfragen, warum das RKI ständig neue Kennzahlen und Indikatoren ins Spiel brachte, um die Ausbreitung von COVID19 hinsichtlich Masse und Geschwindigkeit zu beschreiben.

So berichtete beispielsweise am 20.04.20 Dr. Grabenhenrich der FAZ, dass das RKI eine Plattform aufbaue, die die Verfügbarkeit von Intensivbetten in Deutschland zum Gegenstand habe, da bis dato niemand wusste, wo und wie viele Betten frei sind…

Wenn das nun beispielgebend für die Vorbereitung des RKI auf eine Pandemie ist, dann ahnen wir, warum es Probleme gab. Wenn Herr Grabenhenrich hier der Wortführer für das RKI ist, dann wissen wir auch, was die Abteilung MF des RKI unter Prof. Wieler in all den Jahren eben nicht vorbereitet hat. Auch wird augenscheinlich, eher schon auffällig, dass das RKI einen Dornröschenschlaf schlief, das Tagesgeschäft abarbeitete und dass man sich gern auch mit persönlichen Neigungsthemen beschäftigte, dem Plan A vertraute, wenn auch nicht fachlich hinterfragt, einen Plan B ausschloss (z.B. Daten aus anderen Quellen außer von Gesundheitsämtern hinzuzuziehen) und hoffte sich so durchwurschteln zu können. Dazu würde dann die Presse- und Informationsmauer von Frau Glasmacher passen, möglichst alle kritischen Presse-Fragen auszusitzen. Und dass beispielweise Dr. Grabenhenrich durchaus ein Interesse daran hätte, dass das Forschungsdatenmanagement stimmt, das RKI hier gut aufgestellt ist, darf als Vater von fünf Kindern und einer Kinderärztin als Ehefrau angenommen werden.

Was aber insgesamt beim RKI auffällt, ist die sehr hohe „Affinität“ des Personals zur Freien Universität Berlin und zur Charité, mitunter sogar in paralleler Nebenbeschäftigung. Das wirft Fragen auf, in wie weit man beim RKI sein Führungspersonal mit originären Aufgaben beschäftigt hat. Oder wollte. Und in wie weit man hier von „Hausgewächsen“ bei Besetzungen reden müsste.

Dass ein „Dr. med.“ wohl die einfachste Art ist, einen Doktorhut zu bekommen, ist allen Akademikern kein Geheimnis. Dass gerade in der Medizin Professor- und PD-Titel gern und allzu häufig verliehen werden, auch nicht. Das soll hier auch kein Thema sein. Doch irgendwie scheint diese Ego-Blase auch die Führung des RKI nicht unerreicht gelassen zu haben. Unbestrittene Tatsache ist, dass die entscheidungsrelevanten Modelle, die die Bundesregierung zum Anlass von Maßnahmen nahm, mitunter eben aus dieser Abteilung MF von Prof. Wieler kamen. Daher auch die strikte Trennung von Leitungsfunktion des RKI und seiner persönlichen Abteilungszuständigkeit nach außen hin. Daher auch keine Kommentare und Antworten zu Fragen der Fachpresse, anderen Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern zu Methodik, Datengrundlage, Datenentstehung, Datenkonsolidierung und mathematischen Modellrechnungen.

Diese Abteilung MF im RKI ist der Kern dessen, was zur Entscheidungsfindung mit seinen Daten nicht nur beigetragen hat, sondern sie so erst ermöglichte. Letztlich auch schicksalstreibend für Millionen von Menschen war. Vielleicht auch hunderttausende Menschen gerettet hat. Möglicherweise aber auch nicht, weil die Modelle, Methoden und Daten nicht stimmten, veraltet waren oder schlicht falsch aufbereitet wurden. Oder weil das RKI informationstechnisch und/oder methodisch einen Dornröschenschlaf gehalten hat, wo man vieles getan hat, was aber nicht mit dem bezahlten Job zusammenhing.

Hier ist Aufklärung dringend geboten. Bevor eine zweite und dritte befürchtete Corona-Welle über uns schwappt. Denn dass es das Virus gibt, ist offensichtlich. Nur darf ernsthaft gefragt werden, ob die Herren von Kleist, Grabenhenrich und Wieler ihrem Job so nachgekommen sind, wie wir das hätten erwarten dürfen. Oder in der Zeit seit Ausbruch der Krise das Verschlafene aufgearbeitet werden konnte. 1,2 Millionen Menschen sind in Kurzarbeit, Hunderttausende arbeitslos, es gibt zigtausende Insolvenzen quer durch alle Branchen. Steuerverluste von hundert Milliarden allein für 2020 und zu finanzierende staatliche Coronahilfen von 1.200 Milliarden. Und zur Pandemiebekämpfung wurden Grundrechte eingeschränkt, beschnitten oder gar ausgesetzt. Eine Nation mit 80 Millionen Bürgern wurde in den Hausarrest geschickt. Existenzen wurden und werden zerstört. Der Unmut der Bevölkerung treibt eben die Menschen in immer größerer Zahl auf die Straße. Und sobald die Folgen für alle wirklich auch individuell sichtbar und spürbar werden, wird sich die Anzahl der Unzufriedenen weiter erhöhen. Das hat nichts mit Aluhüten zu tun. Das sind auch nicht alles Nazis. Denn die müssten sich in der Coronazeit wirklich stark vermehrt haben, um diese Demonstrantenzahlen zu begründen.

Auch macht es nachdenklich, warum diese aufgezeigte RKI-Organisation niemals öffentlich hinterfragt wurde, obwohl das Organigramm des RKI im Netz abrufbar ist (HIER). Die fachlichen, methodischen und strukturellen Schwächen des RKI scheinen so gravierend, dass ohne eine systematische rechtliche Aufarbeitung unter Beteiligung der Bürger, hier kein Auskommen mehr sein kann.

Wie heißt es so schön: Der Deutsche geht nicht leicht auf die Strasse. Aber wenn er drauf steht, bekommt man ihn nicht mehr herunter.

Es haben zu viele zu viel verloren, als dass man ruhig bleiben wird. Es mag nun auch die Stunde der Spinner und Extremisten sein. Aber alle als Spinner oder wieder als Nazis zu bezeichnen, funktioniert immer weniger gut. Es wird verängstigte und (bald) notleidende Menschen nur verärgern. Sie wirklich zornig machen. Und zornige Menschen reagieren anders als solche, deren Sorgen und Fragen man ernst nimmt.