Coronavirus-Bekämpfung – ich bin nicht (mehr) überzeugt

Immer neue Thesen und Verordnungen, Beschlüsse, die immer rascher widerrufen werden – und jetzt soll der Impfstoff auch noch mehr können, als bisher behauptet. Mein Vertrauen schwindet, wie der Schnee in der Frühlings-Sonne schmilzt.

Ein Freund bat mich am Freitag in einem Chat, doch auch mal etwas Positives zu schreiben. Es sei doch fantastisch, dass die EU noch einmal 300 Millionen Impfdosen bei Biontech geordert hätte. Klar, mache ich gern: gute Nachricht, freut mich, dass die EU nun insgesamt 2 Milliarden Impfdosen geordert hat. Bei einer Bevölkerungszahl von 447 Millionen scheint mir das zwar etwas viel, aber die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ja schon angekündigt, überschüssige Impfdosen an andere Länder verschenken zu wollen. Ich hoffe inständig, dass sie damit ganz arme Länder meint, die sich unter keinen Umständen Impfstoffe leisten können. Und nicht Urlaubsländer am Mittelmeer oder in Südostasien, die von Deutschen so geliebt werden, deren Regierungen aber autokratisch oder diktatorisch gegen das eigene Volk regieren und sich selbst unermesslichen Reichtum in die eigenen Taschen schaufeln, während außerhalb der 5-Sterne-All-inclusive-Resorts das eigene Volk hungert und leidet.

Verschenken ist übrigens ein gutes Stichwort. Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bedauert, dass zum Start der Impfkampagne nicht genügend Impfstoff zum Schutz der sogenannten vulnerablen und systemrelevanten Gruppen (Ältere, Kranke, Mitarbeiter des Gesundheits-Systems, Angehörige von Rettungsdiensten und Polizisten) zur Verfügung steht, hat die Bundesregierung Impfdosen für 35 (!) Millionen Bundesbürger an andere EU-Staaten verschenkt bzw. weitergegeben. Diese Länder hatten zunächst den Impfstoff nicht haben wollen und es sich dann anders überlegt. Daher gab die Bundesregierung bereits georderten und für die eigene Bevölkerung dringend benötigten Impfstoff weg. Übrigens in einer Zeit, in der täglich etwa 1.000 Menschen an Covid-19 sterben, Friedhöfe und Krematorien nicht mehr richtig arbeiten können, die Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen chronisch und brutal überlastet sind, Eltern in das Home-Office und Home-Schooling getrieben werden und Hunderttausende von Unternehmen im Januar 2021 immer noch auf fest versprochene wirtschaftliche Hilfen für den Monat November 2020 warten.

Da der Mangel an Impfdosen in Deutschland nicht mehr zu verheimlichen ist, greift die Bundesregierung zu Tricks. Plötzlich soll auch weniger Impfstoff ausreichend wirksam sein, die Ampullen-Menge wird gestreckt. Statt 5 sollen nun 6 Spritzen aus einer Ampullle gezogen werden. Und während bisher die notwendige zweite Impfung nach 21 Tagen erfolgen sollte, reicht es nun angeblich, wenn 6 oder 10 Wochen nach der ersten die zweite (Booster-)Impfung vorgenommen wird. Der von einigen Mitbürgern schon als Heiliger verehrte Virologe Drosten sagt, er wisse nicht, ob das funktioniere. Es könne gut sein… Oder eben auch nicht, sage ich. Ich bin jedenfalls nicht überzeugt.

Ob die Vergabe-Aktion der Impfdosen von der Bundeskanzlerin Angela Merkel angeordnet wurde oder vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, ist strittig. Dass der Vizekanzler und Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, davon nichts gewusst haben will und Jens Spahn am Kabinetts-Tisch den Fehde-Handschuh in Form eines Fragebogens zur Impfsituation buchstäblich zuwirft, ist an versuchter Volksverdummung nicht zu überbieten. Die SPD tut wirklich alles, um sich selbst zu zerstören. Dabei helfen dann auch gern Ministerpräsidentinnen (kein Gender-Schreibfehler!) wie Malu Dreyer und Manuela Schwesig, die binnen 24 Stunden die von ihnen selbst getroffenen Vereinbarungen der MPK ad absurdum führen. Sie orientieren sich dabei an CDU-Ministerpräsidenten wie Armin Laschet und Volker Bouffier, die sich auch nicht um ihr Geschwätz vom 6.1.2021 scheren. Vom derzeitigen Vorsitzenden der MPK, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller in Berlin, gar nicht zu reden.

Gleichzeitig droht der Kanzleramtsminister Helge Braun – im wirklichen Leben Arzt und so immerhin mit einer gewissen fachlichen Grundkompetenz gesegnet – mit einer schier endlosen Verlängerung des Lockdowns, weil die Landesfürsten ja nicht auf Mutti Angela gehört hätten…

Wissenschaftlich nachgewiesen ist inzwischen, dass die plötzliche Lockerung des Lockdowns Anfang Mai 2020 und die dann unmittelbar einsetzende Reisewelle – die auch ungehemmt im Herbst und zu Weihnachten über die Grenzen Deutschlands schwappte – großen Einfluss auf die jetzt dramatisch gestiegen Infektionszahlen hatte. Unverständlich bleibt, warum diese Reisewellen nicht verhindert wurden. Unverständlich bleibt, warum Berufspendler in überfüllten Trams, Bussen und Bahnen stehen müssen, Restaurants, Museen, Kinos, Theater mit funktionierendem Hygiene-Konzept aber schließen müssen.

Das Versagen der politischen Klasse ist für jedermann mit bloßen Händen zu greifen.

Wären nicht die meisten Bürger unseres Landes so diszipliniert wie sie sind, die Lage in Deutschland wäre noch viel schlimmer. Vielleicht so wie in Großbritannien, wo der Bürgermeister von London bei einer Inzidenz von 1.000 den Katastrophen-Fall ausrufen musste und das Gesundheits-System NHS jeden Augenblick zusammenbrechen kann.

Dabei nimmt das Verständnis für, das Vertrauen in das Handeln der Politik in Deutschland rapide ab. Zahlen von INSA, die morgen hier in DNEWS24 veröffentlicht werden, zeigen einen geradezu dramatischen Vertrauensverlust.

Das ist zu Beginn eines Superwahljahres in Deutschland keine gute Nachricht.

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“