Buch-Tipp: Sehnsucht Unsterblichkeit – Wie die Medizin zur neuen Religion der Menschen wird

In der Medizin wird um jeden Preis der Tod bekämpft und nicht mehr nach Lebensqualität gefragt, beanstandet Günther Loewit. Der Arzt und bekannte Kritiker des modernen Medizinsystems sieht seine These im gesellschaftlichen Umgang mit der Corona‐ Pandemie eindrücklich bestätigt. In seinem neuen Buch Sehnsucht Unsterblichkeit – Wie die Medizin zur neuen Religion der Menschen wird stellt er die Frage, weshalb die Medizin heute ähnlich über unser Leben bestimmen darf, wie es früher die Kirche getan hat.

Lebensverlängerung zum Preis von Volkswirtschaften

Im Frühjahr 2020 trifft das Sars‐CoV‐2‐Virus auf eine Gesellschaft, die im Glauben lebt, dass die Medizin alles kann und der Tod nicht mehr das natürliche Ende des Lebens, sondern ein Versagen der Medizin sein muss. In dieser Stimmung begegnen Medizin und Politik panikartig der menschlichen Sterblichkeit. „Der Tod findet heute nur mehr gegen den Willen der Medizin statt“, formuliert Günther Loewit. Und: „Maschinelle Beatmung und Reanimation sterbender Patienten sind zur obersten Maxime geworden.“

Loewit vermisst im modernen Medizinbetrieb die Erkenntnis, dass der Mensch zu 100 Prozent sterblich ist. Ein Leben nach dem Tod, wie es die Religion anbieten kann, ist keine medizinische Option. Daher ist heute jedes Menschenleben beinahe eine Volkswirtschaft wert. Die Medizin muss alles tun, um die Funktionsfähigkeit des Körpers zu erhalten, und bietet bis zuletzt lebensverlängernde Therapien an. Die Lungentransplantation bei COVID‐19‐Patienten ist keine Utopie mehr.

Die Medizin als neuer Heilsbringer

Wer früher Sinn und Sicherheit in den Sakramenten der Religion gesucht hat, sucht diese Geborgenheit heute in der Medizin. Die Gläubigen im Gesundheitssystem werden Patienten genannt. Der Körper wird zum Nonplusultra. Wer sich nicht an die Gebote der Medizin hält, wird zum Sünder und damit therapiebedürftig. Das Sakrament der Buße wird durch die Vorsorgeuntersuchung ersetzt.

Es gibt keine Gesunden mehr, sondern nur noch schlecht Untersuchte. Die Intensivstation ersetzt die Krankensalbung. „Die Corona‐Krise eignet sich, um die Grenze zwischen optimierter Vorsorge und einem erfüllten, freien Leben aufzuzeigen“, schreibt Loewit.

Wir haben das Sterben verlernt. Die Medizin zögert den individuellen Tod immer weiter hinaus. Prozesse, die zum Sterben führen, werden als Krankheiten gesehen, die heilbar sein müssen. Dabei ist es letztendlich das Leben selbst, das trotz aller Sehnsucht nach Heilung zum Tod führt. Heilung könnte jedoch auch die Wiederherstellung der Zufriedenheit des Patienten sein. Alle Macht der Medizin!

Während der Corona‐Krise werden die medizinischen Berater der Politik im Hintergrund zu Eminenzen der neuen Staatsreligion geweiht. Wer eine andere Sichtweise hat, muss mit der medizinischen Inquisition rechnen. Die Berichterstattung mit verstörenden Bildern von künstlich beatmeten Menschen ist auch Kalkül. Die Politik verbreitet gezielt Angst, indem sie Sars‐CoV‐2 zum Killervirus hochstilisiert. Wer Angst schürt, schart seine Schäfchen eng um sich. Und wer Macht hat, macht Profit. Das gilt für Kirche und Medizin.

Es scheint, dass die Medizin wiederholt, was die Aufklärung der Kirche vorgeworfen hat: Sie dringt viel zu tief in die Existenz ein. Die Medizin muss für jeden Schritt im Leben ihre Zustimmung erteilen – und der Öffentlichkeit fällt das genauso wenig auf, wie ihr früher der Eingriff der Kirche in ihr Leben aufgefallen war; man taufte, firmte, heiratete, beichtete und lebte, wie man heute Atteste, Laborwerte und MRT‐Befunde vorlegt.

Kein Platz für die Patientenseele

Ein gemeinsames Merkmal von Medizin und Religion ist die gebotsartige Aufstellung unerfüllbarer Forderungen. Beide Institutionen verbreiten Angst und bieten mehr oder weniger kostenpflichtige Lösungen an. Logisch zu Ende gedacht, hätte die Medizin ihre Selbstvorgabe erreicht, wenn Menschen nicht mehr sterben müssten. Dann wäre der Mensch selbst göttlich und bräuchte weder Religion noch Medizin. Die Corona‐Pandemie überrascht uns in einer Zeit, die dem individuellen Leben einen noch nie da gewesenen Stellenwert einräumt. Aus Sicht der Natur bleibt aber die Fortpflanzung bedeutsamer als Gesundheit und hohe Lebenserwartung des Einzelnen. Die Frage, wie wir sterben, wird von der Frage, wann wir sterben, völlig in den Hintergrund gedrängt. „Zeit und das ärztliche Wort werden nicht honoriert, die Patientenseele hat im ärztlichen Alltag keinen Platz“, stellt Loewit fest. „Die Politik will Leben retten. Ich habe noch kein einziges Leben dauerhaft gerettet, sondern ausschließlich begleitet. Mein Lebenswerk liegt letztlich am örtlichen Friedhof.“ Am Ende werden wir unsere Hoffnung auf Unsterblichkeit begraben müssen.

Der Autor

Dr. Günther Loewit ist Arzt, Bestsellerautor und aus den Medien bekannter Kritiker des modernen Medizinbetriebs. In „Sehnsucht Unsterblichkeit“ beanstandet er das ausufernde Gesundheitssystem, das sich vom Vorgang der Zeugung bis zum Tod des Individuums tief in das gesellschaftliche Selbstverständnis eingegraben hat – in einem Ausmaß, wie das bisher nur von der Religion bekannt war. Er plädiert für mehr Bewusstheit und Eigenverantwortung des Einzelnen.

Bibliografie

  • Verlag: Goldegg
  • Seiten: 270
  • ISBN: 978‐3‐99060‐178‐5
  • Preis: 24,00 Euro