Bayern ohne CSU? Geht doch!

Seit 1957 regiert die CSU ununterbrochen im Freistaat. Damit könnte bald Schluss sein.

Eigentlich unvorstellbar. Im großen Bayern wird die CSU ganz klein. Ganze 37,2 % holte Markus Söder bei der letzten Landtagswahl in Bayern. Das war 2018, Markus Söder war erst wenige Monate in dem Amt, das er mit (fast?) allen Mitteln angestrebt hatte. Seit 18 Monaten tobt die Coronavirus-Pandemie durch das Land zwischen Hof und Mittenwald. Bei Landtagswahlen in anderen Bundesländern konnten seitdem die Amtsinhaber als Macher punkten. Anders in Bayern. Aktuelle Umfragen decken auf, dass die Bürger im weiß-blauen Land ihren Ministerpräsidenten eher als Schnacker denn als Macher sehen. Geringe Impf-Quote, hohe Inzidenzen, Patientenverlegungen in ferne Bundesländer – zum Beispiel NRW – und nach Italien. Übrigens NRW: die ewigen Schmutzeleien des Bayern-MP gegen den gemeinsamen Kanzler-Kandidaten der Union hat der CDU und der CSU nicht nur das Bundestagswahl-Ergebnis verhagelt, es prägt auch nachhaltig das Bild eines Mannes, der aus Ehrgeiz und Eifersucht um sich schlägt – eben ohne Rücksicht auf Verluste.

Aktuell holt die CSU in Umfragen so geringe Zustimmungswerte, dass die selbsternannte Staatspartei keine Mehrheit mehr hat. Schlimmer noch: eine Ampel hätte eine eigene Mehrheit in Bayern. Die CSU käme nach einer aktuellen INSA-Umfrage nur noch auf 32 %, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahlen wären. Nur die, die älter als 60 Jahre sind, gäben der CSU 38,8 %, alle anderen Altersgruppen liegen weit unter diesem Wert: bei den 18 bis 49jährigen würde nur noch jeder Fünfte die CSU wählen, bei den 50 bis 59jährigen nur jeder Vierte.

Diese Zahlen sind eine schiere Katastrophe für eine Partei, die unter Edmund Stoiber 2003 noch 60,7 % der Stimmen holte. Diese Zahlen zeigen, dass nicht nur die CDU unter der vermeintlichen „Mutti“ gelitten hat. Auch die CSU trifft nicht mehr den Nerv der Mehrheit, sondern surft auf einer Zeitgeist-Welle – grüner als die Grünen, sozialer als die Sozis, liberaler als die FDP. Wer soll das kaufen? Das Abkupfern fremder Inhalte, das breitbeinige „mia san mir“ gekoppelt mit spürbaren Wahrheiten, wie einer nur noch durchschnittlichen Schul-Qualität, wie einem bedrückenden Hausarzt-Mangel, fehlenden Konzepten für die Lebens-Qualität im ländlichen Raum, und und und. Die Art, wie in Bayern die Staatspartei vor wichtigen Wahlen das Steuergeld an das Volk verteilt erinnert fatal an mafiösen Stimmenkauf.

Wohlverstanden: es gibt nur wenige Anzeichen, dass die Opposition in Bayern einen deutlich besseren Job machen könnte. Und da beginnt die wirkliche Problem-Zone. Wo ist die Alternative für Bayern?

Nur eines scheint ziemlich sicher: je näher der nächste Wahl-Termin rückt und je weniger sich die Umfrage-Ergebnisse der CSU in Bayern bessern, desto ungemütlicher wird es im monumentalen Protzbau der Staatskanzlei am Franz-Josef-Strauß-Ring 1 in München. Dass die Tore dort aus einbruchssicherem Metall sind, bedeutet nicht, dass unliebsames Personal nicht herausgekehrt werden kann. Fragt sich nur, welcher Nachfolge-Kandidat Mut und Kraft hat, dem Söder Markus die bittere Wahrheit ins Gesicht zu sagen.

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“