30 Jahre Deutsche Einheit – mehr als ein Rückblick
Am 3. Oktober 1990 war Deutschland vereint. Wie empfanden das damals die Bürger, vor welchen Herausforderungen standen Politiker und die Vertreter der Wirtschaft? DNEWS24 bringt ein Special zu 30 Jahren Deutsche Einheit.
Tag der Deutschen Einheit
Am 3. Oktober 1990 traten die neuen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie der Ost-Teil von Berlin der Bundesrepublik Deutschland bei. Wie haben die Menschen in Ost und West diesen Tag, die Wendezeit und die 30 Jahre, die die Deutsche Einheit nun währt, erlebt? Gibt es die vom Kanzler der Einheit, Helmut Kohl, versprochenen „blühenden Landschaften“? Was trennt uns, was vereint uns?
Bürger, Politiker, Wissenschaftler berichten. Ein Special von DNERWS24 zum Tag der Deutschen Einheit.
Peter Escher erzählt
In DNEWS24TV berichtet der Journalist und TV-Moderator Peter Escher, wie er die „Wende-„Zeit vom 9. November 1989 bis zum 3. Oktober 1990 erlebte, was er am 3. Oktober 1990 – dem Tag der Deutschen Einheit – machte und wie er heute die Deutsche Einheit sieht.
Peter Escher ist Botschafter des Bundesverband Initiative 50Plus und lebt in Leipzig.
30 Jahre Deutsche Einheit – Interview mit Susanne Dähner
Ist zusammengewachsen, was zusammengehört? Eine Studie zu 30 Jahren Deutsche Einheit gibt Antworten. DNEWS24 sprach mit der Autorin.
Susanne Dähner ist seit März 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Frau Dähner hat ein Diplom für Geographie und Soziologie, sie studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Stockholm, Schweden.
Für das Berlin-Institut erstellte sie die Studie „Vielfalt der Einheit – wo Deutschland nach 30 Jahren zusammengewachsen ist“.
30 Jahre Deutsche Einheit – Dieter Hapel zur Situation in der geteilten Stadt Berlin
Berlin war bis zum 9. November 1989 eine durch die Mauer geteilte Steadt. Innerhalb von nur 11 Monaten mussten beide Stadthälften zusammenwachsen. Wie konnte das funktionieren? DNEWS24 befragte Dieter Hapel, der 1989/1990 in der Berliner Landespolitik Verantwortung trug.
Dieter Hapel (* 22. Juni 1951 in Berlin) ist ein deutscher ehemaliger Politiker (CDU). Hapel rückte im Januar 1981 in das Abgeordnetenhaus von Berlin nach. In der CDU-Fraktion übernahm er das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers.
Dieter Hapel war von 1997 bis 2001 der letzte Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Tempelhof und im Anschluss der erste Bezirksbürgermeister des neuen Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Heute leitet er das Hauptstadt-Büro des Bundesverband Initiative 50Plus.
30 Jahre Deutsche Einheit – auch bei Löhnen und Gehältern?
Henrike von Platen (* 16. Januar 1971 in Bremen) ist eine deutsche Wirtschaftsdiplom-Informatik-Betriebswirtin (VWA), Unternehmensberaterin und Interim-Managerin. 2017 gründete sie das Fair Pay Innovation Lab, eine gemeinnützige GmbH, die Unternehmen bei der praktischen Umsetzung von Lohngerechtigkeit unterstützt und sich für mehr Entgeltgleichheit im Unternehmensalltag einsetzt. Regelmäßig lädt sie Vertretende aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zum Austausch in sogenannte Fair Pay Management Circles ein.
Henrike von Platen war von 2010 bis 2016 als Präsidentin des Frauennetzwerks Business and Professional Women Germany Schirmherrin der deutschen Equal-Pay-Day-Kampagne. Mit ihrer gleichstellungspolitischen Verbandstätigkeit setzte sie sich insbesondere für eine paritätische Besetzung von Frauen und Männern in Führungspositionen und Entgeltgleichheit ein.
Im Gespräch mit DNEWS24 berichtet sie über die Einkommens-Entwicklung in Ost und West.
30 Jahre Deutsche Einheit – Peter Lewandowski über Medien in Ost und West
Peter Lewandowski studierte Politische Wissenschaften, Geschichte und Kommunikationswissenschaften. Er absolvierte sein Redaktionsvolontariat bei der Münchner Boulevardzeitung tz und war als Lokalredakteur beim Münchner Merkur tätig. Bei der Abendzeitung in München leitete er das Ressort „Modernes Leben und Nachrichten“. Beim Stern war Lewandowski Ressortleiter für „Modernes Leben“. Bei Marie Claire war er Textchef und Mitglied der Chefredaktion. Von Januar 1998 bis Juli 2000 war er Chefredakteur des Playboy. Von August 2000 bis März 2001 war er in der Funktion eines Chefredakteurs Leiter der Entwicklungsredaktion des Axel Springer Verlags. Im März 2001 wurde er Chefredakteur des Männermagazins Maxim, das er in den Zeitschriftenmarkt einführte. Von Dezember 2001 bis Oktober 2012 war er Chefredakteur der Zeitschrift Gala.
Heute ist der Journalist Medien-Berater, Entwickler neuer Formate und Botschafter des Bundesverband Initiative 50Plus.
30 Jahre Deutsche Einheit – Jan-Peter Luther über berufliche Anfänge
Jan-Peter Luther ist ein deutscher Kommunikations-Wissenschaftler und Journalist. Von 2015 bis 2020 war Luther Bundesgeschäftsführer Senioren-Union der CDU Deutschlands. 1990 war er eben aus dem Grunddienst der NVA entlassen und auf der Schwelle zum Eintritt in das Berufsleben.
30 Jahre Deutsche Einheit – Renate Zott schreibt über ihre Gefühle
Renate Zott wuchs im Westen Deutschlands auf und ist dort auch sozialisiert. In der Wendezeit war sie eine junge Frau und werdende Mutter. In DNEWS24 beschreibt sie, welche Erinnerungen sie an die DDR hatte, wie sie den Vereinigungs-Prozeß der DDR und der Bundesrepublik Deutschland empfand und wo wir heute stehen.
Als ich Kind war gab es die DDR und die BRD. Verdammt lange her ist das. Meine Erinnerung an unser geteiltes Land geht in der Hauptsache auf die Päckchen zurück, die wir einander jedes Jahr über die Grenze schickten; überwiegend zu Weihnachten. Bei uns zu Hause managte das meine Mutter. Wir schickten immer Kaffee und Schokolade; manchmal auch andere Dinge von denen wir wussten, dass sie fehlten. Im Gegenzug bekamen wir Dresdner Stollen und Räuchermännchen. Wenn die Räucherkerzen brannten, roch es nach Weihnachtszeit. Jedenfalls hatte ich den Duft von Myrrhe und Weihrauch unzweifelhaft damit verbunden. Irgendwann bekamen wir auch eine Weihnachts-Pyramide. Ich glaube die Tante, die eigentlich keine Tante war, aber von allen so genannt wurde, brachte sie bei einem ihrer regelmäßigen Besuche mit. Die vielen kleinen Holzfiguren, verteilt auf mehrere Stockwerke, faszinierten mich und wenn man die Kerzen anzündete, drehte sich die Pyramide durch die aufsteigende Wärme, die das Flügelrad in Bewegung setzt, langsam wie ein Karussell.
Die Tante wohnte in Leipzig. Eine kleine, äußerst zierliche Frau; in jeder Hinsicht unauffällig. Vermutlich war es genau das, was ihr ermöglichte, die Papiere für Westreisen zu bekommen. Vielleicht auch Kontakte oder Verbindungen. So genau weiß ich das bis heute nicht.
Jedenfalls reiste sie immer pünktlich wieder zurück und ich glaube, die, die es genehmigten, wussten das auch. Es waren also vor allem solche schönen Dinge, die ich mit „dem Osten“ in Verbindung brachte. Den unvergleichbar leckeren Stollen, die wunderbaren, z. T. sehr filigranen Holzarbeiten aus dem Erzgebirge, die nette „Tante“ aus Leipzig. Nichts Politisches. Gleichermaßen ist mir in Erinnerung, dass alles von „Drüben“ anders roch. Die Päckchen, das Geschenkpapier – selbst die Tante. Vermutlich war es ebenso der Geruch vom Westen, der sie von uns erreichte und anders gewesen sein muss. Man sprach nicht darüber. Mit 11 reiste ich mit meinem Chor für 3 Tage zu einem Sängerfest nach West-Berlin. Chöre aus ganz Deutschland kamen zusammen, um gemeinsam zu singen und zu musizieren. Die Erinnerung daran ist wenig intensiv. Eingebraben ins Gedächtnis hat sich aber der Blick auf die andere Seite der Stadt, den wir von einem Turm aus auf Ost-Berlin hatten. Alles war grau.
Jahre später. Ich war 25 Jahre als die Mauer fiel. Schwanger, mitten im Hausbau, zudem mit einer neuen Selbständigkeit mehr als beschäftigt. Während Deutschland also gerade Geschichte schrieb, schrieben sich auch in mein völlig unbedeutendes Leben gravierende Veränderungen. Meine Aufmerksamkeit beschränkte sich deshalb auf die abendlichen Nachrichten; auf die Bilder der Menschen auf der Mauer, wie sie dort dicht an dicht standen, jubelten und feierten. Ein ausgelassener Ausnahmezustand über das Glück, wieder vereint zu sein. Wir teilten die Freude zwischen den alten und neuen 4 Wänden und dass es gelungen war, nach 40 Jahren wieder ein Land ohne innere Grenze zu sein. Während ich noch an die wiedererkämpfte Freiheit dachte, dachten andere bereits an Kosten und Nutzen. Viele Unternehmer schwärmten aus in die neuen Länder, eröffneten Niederlassungen oder Zweigstellen und verkauften den „unbedarften“ Ossis erstmal alles. Ob sie es nun brauchten oder nicht. Ich verfolgte also, wie sich eine Reihe von Wessis auf Kosten der Ossis die Taschen vollmachten und schämte mich dafür. So macht man keine Geschäfte. Die Wiedervereinigung brachte große Probleme, beileibe nicht nur diese. Die wenigsten Volkseigenen Betriebe überlebten die Privatisierung. Zu unrentabel, zu abgewrackt, nicht konkurrenzfähig. In der Folge schnellten die Arbeitslosenzahlen nach oben. Berechnungen zufolge waren zw. 1989 und 1991 mehr als 2,5 Millionen Menschen im Osten ohne Job. Da tun sich Gräben auf, entstehen Stimmungen und Strömungen, die Radikalisierung provozieren; trotzdem in keiner Weise Gewalt rechtfertigen.
Heute, 30 Jahre später sind wir ein gutes Stück weiter. Ich sehe es positiv. Vor ein paar Jahren sind wir mit dem Wohnmobil durch die neuen Länder gefahren bis hoch zur Ostsee, um uns selbst ein Bild zu machen. Tolle Straßen, top sanierte Städte mit prachtvoll restaurierten Häuserfassaden,
Uferpromenaden, die einen Vergleich über Deutschlands Grenzen hinaus i.S. Schönheit nicht scheuen müssen. Unter dem Maßstab einer Angleichung ist eine Menge gelungen, auch wenn es die Steuerzahler viel gekostet hat. Mag sein, dass nicht alle Städte außerhalb der ostdeutschen Boom-Regionen viel vom Erneuerungsschub, vom Anschluss an Infrastruktur und wirtschaftlichen Perspektiven abbekommen haben, aber es ist auch in Gemeinden der alten Bundesländer nicht alles rosig. Ich meine also, es gibt Verbesserungsbedarf in vielen Regionen unsers Landes; Ost wie West. Die Arbeit hört eben nie auf.
Was mir allerdings tatsächlich Sorge bereitet ist die Mauer in den Köpfen. Glaubt man Studien und auch aktuellen Berichten und Reportagen, ist es in den vergangenen 30 Jahren nicht gelungen, sie großflächig einzureißen. Viele Ossis glauben demnach bis heute, dass Wessis alles besser wissen, die politischen und wirtschaftlichen Fäden in der Hand halten und den Ton angeben. Sich wie selbstverständlich vor allem Wessis in Führungspositionen holen und entsprechend auch Nachfolgeregelungen treffen, wenn diese ins Haus stehen. Frei nach dem Motto: Wessis meinen immer noch, sie seien etwas Besseres. Sind die Wessis also hochmütig und die Ossis die Opfer der Wiedervereinigung?
Von den wenigen Verbindungen, die wir jetzt mit Menschen aus den neuen Bundesländern pflegen, machen wir andere Erfahrungen, nämlich gute. Einfach ganz normale, nette Menschen, die super spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hatten ihr Leben vor und nach der Wende im Griff – wenig gejammert und viel geschafft mit einer Alltagsroutine, die unserer recht gleich ist. Es könnten also auch Menschen aus Kelkheim oder Köln sein – wäre da nicht der Dialekt und so manche Redensart, über die wir gemeinsam lachen können.
Es ist eben nicht nur die Frage der persönlichen Erfahrungen und Umstände, sondern auch des Umgangs damit. Vorurteilspflege und Glaubenssätze helfen uns nicht. Genauso wenig wie Mauern im Kopf, die den Blick auf das, was alles gelungen ist, nur unnötig einschränken.
Film-Tipp: Gundermann
Mit feinem Gespür, Zärtlichkeit und Humor wirft Regisseur Andreas Dresen in GUNDERMANN einen Blick auf das Leben von Gerhard „Gundi“ Gundermann, einem der prägendsten Künstler der Nachwendezeit. Er starb 1998, mit gerade einmal 43 Jahren.
Das Drehbuch stammt von Laila Stieler. Die Hauptrolle spielt Alexander Scheer, der alle Lieder im Film selbst eingesungen hat. Anna Unterberger steht als seine Frau Conny Gundermann vor der Kamera. In weiteren Rollen sind unter anderem Axel Prahl, Thorsten Merten, Bjarne Mädel, Milan Peschel, Kathrin Angerer und Peter Sodann zu sehen.
Der Film ist auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Buch-Tipp: Christlich-Demokratische Union
75 Jahre CDU: Bilanz einer Erfolgsgeschichte
Die CDU war die einzige Partei, die sich ohne Vorbehalte für die Deutsche Einheit aussprach. Unter den Kanzlern, die die CDU stellte, wurden aber noch viel mehr entscheidende Weichen für die Entwicklung unseres Landes gestellt. Beiträge und Positionen zur Geschichte der CDU. Von Norbert Lammert
Die Christlich-Demokratische Union, nach der Kapitulation Deutschlands 1945 gegründet, hat als interkonfessionelle Volkspartei das deutsche Parteiengefüge grundlegend verändert. Sie ist zweifellos die erfolgreichste Partei in der bundesdeutschen Geschichte und stellte bis heute über fünfzig Jahre lang den deutschen Kanzler bzw. die Kanzlerin – seit der Deutschen Einheit 23 Jahre.
Die Essays im vorliegenden Sammelband widmen sich der Geschichte der CDU aus ganz verschiedenen, mitunter kontroversen Blickwinkeln und von divergierenden Standpunkten aus. Dabei geht es nicht nur um ihre historischen Rolle in der deutschen Geschichte – ebenso werden ihre politisch-weltanschaulichen Fundamente beleuchtet, ihr Umgang mit der Vergangenheit infolge der doppelten Diktatur-Erfahrung durch die NS-Zeit und die SED-Herrschaft und nicht zuletzt ihr Beitrag zur Überwindung der deutschen Teilung und zur Integration Europas.
Das Buch ist im Verlag Siedler erschienen.